Ein Design-Preis für die Facebook-Zentrale? Fehlanzeige. Dafür hängen zu viele Kabel unmotiviert von der Decke herab und bohren sich zu viele unverkleidete Lüftungsschächte an Stahlträgern vorbei. »Dieses Büro bietet die größtmögliche Offenheit, nirgendwo kann man besser kommunizieren«, schwärmt Mark Zuckerberg über seinen neuen Firmensitz im Silicon Valley. Dann nimmt der Begründer des sozialen Netzwerks die Zuschauer seines Youtube-Videos mit auf eine kleine Tour durch sein riesiges Großraumbüro.
Gebaut hat es der Stararchitekt, der bisher für die spektakulärsten, unfunktionalsten Bauten schlechthin stand: Frank O. Gehry. Wie die »größte aller Garagen« sehe das Headquarter aus, hatte Niklas Maak nach seinem Besuch bei Facebook in der FAZ geschrieben. Zuckerberg aber ist offenbar zufrieden: Die Grundidee sei, alles in diesen Räumen unkompliziert zu halten, so der Boss. Deshalb absolviert er seine Besichtigungstour quasi in einem Schwung: ein Schlenker mit der Kamera die mehrere hundert Meter lange Halle entlang, ein weiterer in den verglasten Konferenzraum hinein. Dann einer zu Zuckerbergs Schreibtisch, der so radikal normal aussieht wie alles andere um ihn herum.
Bei aller räumlichen Größe, mehr optisches Understatement als in der Facebook-Zentrale geht nicht. Gefallen hätte das auch Heinz Nixdorf (1925–1986), der die Umwandlung seines Firmensitzes in eines der größten Computermuseen der Welt selbst nicht mehr miterlebte. Dort kann man heute seine Auffassung nachvollziehen, wie ein Büro auszusehen hat – und wie nicht. Das NixdorfMuseumsForum in Paderborn zeigt eine Dauerausstellung, die sich mit der Mechanisierung der Informationstechnik bis zur Erfindung des Computers beschäftigt. Darin enthalten ist auch die Kulturgeschichte des Büros.
Sie startete mit Gänsekiel, Tintenfass und Schreibpult in Handelskontoren der Renaissance, Dokumente schob man gern »auf die lange Bank« statt wie später in Archivschränke; die kamen erst in preußischen Amtsstuben des 19. Jahrhunderts auf. »Die Geschichte des Büros ist auch eine Geschichte veränderter Arbeitsprozesse«, sagt Kurator Dr. Stefan Stein, der die Ausstellung eingerichtet hat. Funktionen wurden hierarchisiert, Aufgaben aufgeteilt. Das zeigte sich nicht zuletzt am Erscheinungsbild der Büros, in denen man zu Anfang des 20. Jahrhunderts etwa reine Schreibkräfte in riesige Säle pferchte, während die Chefs in eigenen Bereichen abseits des lauten Schreibmaschinengeklappers logierten.
Heinz Nixdorf kannte diese durchhierarchisierten Büros natürlich – er lehnte sie ab. 1959 errichtete die Hamburger Firma Quickborner Team für das Verlagshaus Bertelsmann die weltweit erste »Bürolandschaft« in Gütersloh, mit Topfpflanzen, schalldämpfenden Teppichböden und genormten Schreibtischen. Im selben Jahr verlegte Nixdorf das Unternehmen in seine Heimatstadt Paderborn. Und setzte auf das Bürokonzept seiner Zeit: mit enormen Flächen, die er mit denselben Schreibtischen für alle ausstattete. Auch für sich selbst. Fortan wuchs das Großraumbüro mit jedem neuen Mitarbeiter: Zu Nixdorfs Tod im Jahr 1986 zählte seine AG 23.000 Angestellte in 44 Ländern.
1966 ließ sich die Deutsche Krankenversicherung in Köln ein neues Gebäude errichten, speziell für Großraumbüros. Zehn Quadratmeter Nutzfläche wurden pro Arbeitsplatz veranschlagt. Allerdings waren in diesem Wert auch die Flächen für Pausenräume und Garderoben enthalten. Heute sieht die Arbeitsstättenverordnung für »Bildschirmarbeitsplätze« eine Mindestgrundfläche von acht bis zehn Quadratmetern vor. Aufgrund »der akustischen und visuellen Störfaktoren« bräuchte es in einem Großraumbüro allerdings 12 bis 15 Quadratmeter. Ein Großraumbüro beginnt bei zehn Arbeitsplätzen auf 400 Quadratmetern Grundfläche. Diese Größenordnung hat Mark Zuckerberg verhundertfacht: Bei ihm arbeiten 2800 Menschen in einem 40.000 Quadratmeter-Raum.
Die Vorteile solch eines Arbeitsortes hatte 1968 Friedrich Weltz untersucht. Unter dem Titel »Arbeit im Bürogroßraum« stellte er die Ergebnisse einer soziologischen Fallstudie vor: Unter anderem würden Telefonate und Aktennotizen leichter durch mündliche Informationen ersetzt. »Im Großraum sieht man, wie der Betreffende gerade beschäftigt ist und kann dementsprechend einen günstigen Zeitpunkt wählen, mit ihm in Kontakt zu treten«, heißt es weiter. Ihre »Kontrollfunktion« könnten die Vorgesetzten zudem so wahrnehmen, dass sie nicht »manifest« erscheine. »Management by walking« hatte Nixdorf sein Vorgehen genannt, regelmäßig an den Tischinseln der Angestellten vorbeizuschreiten. Immerhin: noch ohne Kamera.
HeinzNixdorfMuseumsForum Paderborn, www.hnf.de, Tel. 05251/306-600