»Running With The Wolves« der norwegischen Sängerin Aurora hat es schon in die Charts geschafft; die Chancen stehen gut, dass der Song zum Hit wird. Die Junge Welle des WDR, 1Live, hat das Lied euphorisch vorgestellt und Tonspion es als kommenden Erfolg gepriesen. Beides aber ist nicht entscheidend. Sondern, dass Millionen Menschen es aus der TV-Werbung des Telekom-Anbieters Vodafone kennen und der Clip ständig gespielt wird. Ob »Running With The Wolves« sich gut verkauft, ist nicht wichtig: Gemessen an früheren Zeiten verkauft sich heute fast nichts mehr gut.
Auroras Kunden sind nicht die aussterbenden Plattenkäufer, die iTunes-Kunden oder Spotify-Streamer, sondern Vodafone und seine Agentur. Aurora verdient ihr Geld durch die Musik zur Werbung; oben drauf werden noch ein paar Downloads und Tonträger abgesetzt. Eine Tour gibt es auch. Die geht im Herbst vor allem durch Skandinavien, aber Vodafone sei Dank stehen auch Gräfenhainichen, Diepholz und Berlin auf dem Programm.
Zum Erfolg von Aurora passt, dass sich die c/o pop Convention, der Musikindustrie-Kongress parallel zu c/o pop, vor allem mit Music and Brands beschäftigt. »Werbung ist für Musiker ein großer Markt. Es gibt keinen Clip ohne Musik. Der Verkauf von Tonträgern und die Einnahmen durch Streamingdienste spielen heute eine immer geringere Rolle«, sagt Ralph Christoph, Programmleiter der c/o pop Convention: »Musik in Werbung, Filme oder Computerspiele zu bringen, wird dagegen immer wichtiger«.
Das Geschäft hat sich in den beiden vergangenen Jahrzehnten radikal gewandelt. An kaum einem anderen Ort lässt sich das so gut festmachen wie an Köln. In den 1990ern das Zentrum der deutschen Musikindustrie: Hier hatte die Plattenfirma EMI ihren Sitz, arbeitete die Spex-Redaktion im Belgischen Viertel über dem Club Blue Shell, sendete Viva rund um die Uhr Videoclips. Und dann war da noch die Musik- und Unterhaltungsmesse Popkomm, zwischen 1990 und 2003 in Köln und anfangs das Aushängeschild einer Boom-Branche. Als der Boom vorbei war und die Branche strauchelte, zog die Popkomm nach Berlin. 2009 wurde sie dann abgesagt, der heutige Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner nannte sie überholt.
Während die Popkomm an Bedeutung verlor, hatte Köln mit der c/o pop ein neues Veranstaltungsformat etabliert. Jünger, innovativer und nicht so verschwitzt. Wie das Musikprogramm, das auf neue Bands statt alte Recken setzt, ist auch die c/o pop Convention ein Forum neuer Ideen. Die Popkomm war die heilige Messe einer sterbenden Industrie, ein Kirchentag der Musikwirtschaft. Die c/o pop Convention sucht nach neuen Verwertungsmöglichkeiten für Musiker, bringt Produzenten und Käufer zueinander in einer Phase, da traditionelle Geschäftsmodelle schon lange nicht mehr funktionieren.
Auf der Convention, so Ralph Christoph, gehe es »um Wege, im digitalen Zeitalter mit Musik Geld zu verdienen«. Früher habe eine Band eine Tournee gemacht, um eine Platte zu bewerben. Heute sind neue Stücke, in kleiner Auflage auf Vinyl gepresst oder auf iTunes veröffentlicht, vor allem ein Grund, die Tournee zu vermarkten. Erfolgreiche Computerspiele wie die Reihe »Grand Theft Auto« (GTA) haben ihre eigenen Soundtracks.
17 unterschiedliche, in das Spiel integrierte Musikstationen stehen den Spielern zur Verfügung. Im Programm haben sie eine Auswahl, die von Sechziger-Jahre-Klassikern wie »D-I-V-O-R-C-E« von Tammy Wynette über »Numb« von Portishead bis zu Young Scooters »I Can’t Wait« reicht. Eine GTA-Veröffentlichung ist mehr wert als eine Platzierung in den Charts. Von der Spiele-Reihe wurden bislang 150 Millionen Exemplare verkauft. Mehr hat auch Lady Gaga nicht geschafft. Und GTA ist nur eine von vielen Game-Serien mit Millionenauflage.
Die c/o pop Convention versucht, die Marktteilnehmer zusammen zu bringen. Fragen: Wie schaffe ich es als Musiker, meine Stücke an eine Werbeagentur oder einen Spielehersteller zu verkaufen? Wie kommen Agenturen an neue Stücke? Mit wem muss ich reden? »Wir sind ein Marktplatz zwischen den Welten«, sagt Ralph Christoph. In diesem Jahr kooperiert die c/o pop Convention erstmals mit dem Komponisten-Treffen SoundTrack-Cologne. Die c/o pop ist bereits jetzt für Künstler, Marken, Agenturen, Verlage und Labels eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres. Durch die Verbindung zu SoundTrack-Cologne sollen zusätzliche Kompetenz und Vielschichtigkeit gewonnen werden, von denen beide profitieren.
Vier Themenfelder stehen im Zentrum der Convention: Branded Entertainment: Digitales Storytelling in Kooperation mit der Musikindustrie; Synch: Lizensierung von Musik für Commercials, Film, TV und Games; Live-Entertainment: Welche Rolle können Marken auf Festivals und Corporate Events spielen?; Multichannel Networks und der Erfolg von YouTubern in der Markenkommunikation.
Multichannel Networks Punkt ist gerade für Einsteiger wichtig. Früher habe das Label eine Platte vorfinanziert, und mit Glück habe die Band am Ende Geld verdient, so Christoph. So arbeiten Firmen nicht mehr. »Das Risiko geht kaum jemand mehr ein. Plattenfirmen wollen Sicherheit und wagen viel weniger als früher.« Aber wenn sich eine Band in den sozialen Netzwerken gut aufstellt, hat sie durchaus Chancen: »Die Fans sind das Potential jeder Band«. Ob T-Shirt-Verkauf, Werbung für die Tour oder Finanzierung eines Albums, alles machbar. Die Sängerin Amanda Palmer bezahlte 2012 über Crowdfunding die Produktionskosten für ihr Album »Theatre is Evil« und bekam von den Fans 1.192.793 Dollar überwiesen. Eine Summe, die sich nur noch schwer über CD-Verkauf aufbringen lässt. »Vieles geht heute«, weiß Ralph Christoph, »aber man muss es lernen«. Auch dabei will die c/o pop Convention helfen.
Cologne Music Festival: 19. bis 23. August 2015.