Interview: Ulrich Deuter und Andrej Klahn
Seit kurzem spricht man in Nordrhein-Westfalen von einem Museum der Migration. Im November haben die die Regierung tragenden Fraktionen von CDU und FDP einen Antrag ins Landesparlament eingebracht, der die Sammlung und Erforschung der Migrationsgeschichte in NRW sichern soll; namentlich genannt wurden das Kölner Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V. (DOMiD) sowie das im Aufbau befindliche Ruhr Museum auf Zollverein als entsprechend zu fördernde Institutionen. Anlass für K.WEST, die Frage eines Museums der Migration mit den ins Spiel gebrachten Akteuren zu erörtern: mit Prof. Dr. Ulrich Borsdorf, dem Leiter des bisherigen Ruhrlandmuseums und Gründungsdirektor des Ruhr Museums; mit Aytaç Eryilmaz, DOMiD-Vorstand; sowie mit Thomas Kufen (CDU), dem Integrationsbeauftragten der Landesregierung. Ort war die Essener Zeche Zollverein. //
K.WEST: Offenbar besteht Einigkeit im Land über die Bedeutung einer Sammlung zur Migration. Brauchen wir auch ein Museum der Migration?
KUFEN: Vorsicht: Sammlung ist nicht gleich Museum. Die Landesregierung hat deutlich gemacht, dass es ihr erst einmal um die Bestandssicherung geht. Gleich in Steinen zu denken, halte ich für verkürzt. Wer sammelt, sammelt aber nicht fürs Depot, sondern für die Menschen. Das heißt, wir treten weiter dafür ein, dass die Geschichte unseres Landes als eine durch Ein- und Auswanderung geprägte öffentlich dargestellt wird. Daher wollen wir die Öffnung bestehender Kulturinstitutionen wie hier des zukünftigen Ruhr Museums für Fragen von Migration und Integration. Am Ende kann sich daraus auch mal ein eigenes Museum der Migration ergeben, aber das ist nicht vorrangig auf der Liste.
BORSDORF: DOMiD hat in Köln ein Archiv mit Akten, Fotografien, Objekten. Deswegen finde auch ich es richtig, den ersten Schritt dem Ausbau dieser Sammlung zu widmen. Dazu gehört allerdings unbedingt eine wissenschaftliche Bearbeitung. Sonst darf sich eine Sammlung nicht Sammlung für ein Museum nennen. Man kann aus so einer Sammlung in einer ersten Phase Ausstellungen bestücken, so wie DOMiD es bereits gemacht hat. Wenn man aber an ein späteres Museum denkt, sollte man sich genau überlegen, wie man dies angeht. Man könnte ein Museum auf Bundesebene für richtig halten. Oder andererseits ganz viele Museen auf kommunaler Ebene. Aber vielleicht ist diese Frage noch zu früh gestellt.
ERYILMAZ: ICOM, der internationale Museumsrat, definiert die Tätigkeit eines Museums mit sammeln, bewahren, ausstellen. Diese drei Tätigkeiten übt DOMiD aus. Auf dem Weg zu einem Museum der Migration wollen auch wir Schritt um Schritt gehen. Das Wichtigste ist, unsere Sammlungen zu sichern – vieles muss unter archivgerechteren Bedingungen untergebracht werden. Danach wollen wir, zusammen mit Museumsexperten, ein Migrationsmuseum in Deutschland erreichen. Hierzu haben wir seit 2002 diverse wissenschaftliche Tagungen organisiert, mit internationalen Experten. Ein bundesweites Migrationsmuseum schließt aber nicht aus, dass jedes lokale Museum mit entsprechender Ausrichtung einen eigenen Schwerpunkt zur Migration aufbaut. Denn die Zeit ist gekommen anzuerkennen, dass Deutschland nicht mehr ein monokulturelles, sondern ein multiethnisches Land ist.
K.WEST: Was müsste ein solches Museum der Migration denn leisten?
ERYILMAZ: Man müsste diese Frage nicht stellen, wenn die bestehenden historischen Museen wie das in Berlin oder das in Bonn diese Aufgabe nicht jahrelang unerfüllt gelassen hätten. Seit jüngerem hat das Deutsche Historische Museum in Berlin die Migration in seine Sammlung aufgenommen, in einem sehr kleinen Teil.
KUFEN: Das Entscheidende ist, dass wir die Geschichte der Zuwanderung als unsere eigene Geschichte verstehen. Deshalb lehne ich es ab, einfach zu meinen, dass wir nach einem Fußball- oder einem Schokolademuseum nun ein Migrantenmuseum brauchen. Die Frage ist, wie können wir das Geschichtsbewusstsein insgesamt verändern. Ich bin davon überzeugt, dass die Verständigung auf eine gemeinsame Identität in einer gemeinsamen Geschichte von entscheidender Bedeutung für das friedliche Zusammenleben in Gegenwart und Zukunft ist. Was wir nicht wollen ist eine Ethnisierung der Migrationsgeschichte; was wir nicht wollen ist eine verkürzte Darstellung der Geschichte der Migration. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen haben ihre Wurzeln eben nicht nur im Rheinland, Westfalen oder Lippe, sondern in vielen Teilen der Welt.
K.WEST: Soll also in Zukunft jedes Museum einen kleinen Migrations-
Appendix mit sich führt?
KUFEN: Nein, diese Situation haben wir vielfach ja schon heute. Zukünftig muss Migration integrierter Bestandteil der ganzen dargestellten Geschichte sein, und nicht das Extrathema im Extraraum für das Extrapublikum.
BORSDORF: Das Ruhrlandmuseum hat ja die Aufgabe, die Migration darzustellen, schon früh erkannt. Wir haben mit DOMiD nach dreijähriger Vorbereitung 1998 eine gemeinsame Ausstellung gemacht, die größte in einem deutschen Museum zum Thema Migration. Was wir zukünftig im Ruhr Museum zeigen werden, ist die integrative Darstellung der Einwanderung im Ruhrgebiet. Ohne dass da ein eigener Raum geschaffen würde. Natürlich haben wir eine Perspektive, die eher die der Mehrheitsgesellschaft ist.
KUFEN: In manchen Stadtteilen des Ruhrgebiets kommen Sie mit dieser Mehrheits- und Minderheitsperspektive nicht weiter!
BORSDORF: Das stimmt. So gesagt: Wir haben nicht den Blick der Einwanderer auf die Einwanderung, sondern den Blick der rezipierenden Gesellschaft. Das ist, finde ich, legitim. Ich fände es allerdings auch legitim, wenn die Einwanderergruppen sich zusammenschlössen – was im DOMiD ja passiert ist – und sagten, wir möchten ein Museum haben, das eher die Perspektive der Einwanderung aufnimmt.
ERYILMAZ: Herr Borsdorf hat recht, wenn er sagt, ein solches Museum oder eine Sammlung der Migration dürfe nicht ethnisch begrenzt werden. Das wollten auch wir nie. Wenn andere wie das »Zentrum für Türkeistudien« dies wollten, haben wir uns sofort dagegen gewandt. Wir wollen kein Museum für Migranten. Sondern eines der Migration.
K.WEST: Ist es wirklich legitim, die Migrationsgeschichte als Teil der Ruhrgebietsgeschichte aus dem Blickwinkel der Mehrheitsgesellschaft zu erzählen?
ERYILMAZ: Natürlich, das ist unser Aspekt nicht. Auch die Geschichte des Ruhrgebiets muss aus beiden Blickwinkeln dargestellt werden. Wenn wir in der Geschichtsschreibung als Fremde dargestellt werden, bleiben wir auch Fremde in der Gesellschaft. Wenn sich Migranten mit der Darstellung in
historischen Ausstellungen nicht identifizieren können, wird es nichts mit der Integration.
KUFEN: Ich glaube auch nicht, dass Herr Borsdorf diesen Ansatz durchhalten kann. Was sagen Sie denn einem Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte, der hier geboren und aufgewachsen ist? Welche Perspektive auf die Geschichte des Ruhrgebietes soll er denn haben, eine »Gastarbeiterperspektive«? Die dritte Generation kennt das Land der Vorfahren doch nur als Urlaubsland oder von Verwandtenbesuchen.
BORSDORF: Ich glaube das auch. Daher wird die von uns angenommene mehr und mehr zu einer hybriden Perspektive werden. Weil es diese hybriden Identitäten in der zweiten und dritten Generation gibt. Desto selbstverständlicher wird die ganze Sache. Dann sollten wir aber über die quantitativen Anteile sprechen: Einwanderung ist nur ein Faktor unter vielen im Ruhrgebiet. Es gibt noch andere gesellschaftswirksame Kräfte, die viel Raum beanspruchen.
ERYILMAZ: Uns kommt es darauf an, in welchen Zusammenhängen unsere Materialien in einem Museum ausgestellt werden. Ihnen, Herr Borsdorf, haben wir in der Vergangenheit aus unserer Sammlung etwas zur Verfügung gestellt. Bei anderen sind wir aber nicht unbedingt so großzügig. Wir halten es wie in der ZDF-Werbung: Mit dem zweiten Auge sieht man besser. Das zweite Auge, das ist die Sichtweise der Migranten.
K.WEST: Jede museale Aufarbeitung der Migration muss sich die Frage stellen: Was fasse ich darunter? Fange ich bei der Völkerwanderung an, nehme ich Flucht und Vertreibung hinzu, beschränke ich mich auf die jüngere Arbeits migration? Wo ziehen Sie in Ihrer Sammlung die Grenzen, Herr Eryilmaz?
ERYILMAZ: Wie jedes Museum haben auch wir unsere Grenzen. Den Bereich der Vertreibung haben wir bislang nicht berührt. Zurzeit können wir nur die neuere Migration im engeren Sinne bearbeiten, die seit den 1950er Jahren. Was darüber hinausgeht, muss momentan liegen bleiben, weil wir dafür kein Geld und kein Personal haben. Wir würden gerne, aber können nicht.
KUFEN: Sicher müsste das Ganze thematisch abgrenzbar sein. Man würde sich verheben, wenn man alles, was sich mal »bewegt« hat, in eine Ausstellung packen würde. Insofern wäre mein Vorschlag, die jüngere deutsche Geschichte aufzuarbeiten und zu verdeutlichen, dass gerade in diesem Teil Deutschlands Ein- und Auswanderung nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. Man ist aber sicher schlecht beraten, wenn man aus einer bestehenden Sammlung einfach ein Museum konstruieren wollte. Sondern ein Muse-um muss mehr sein, muss einem Konzept folgen.
K.WEST: Herr Borsdorf, sehen Sie eine Diskrepanz zwischen der politischen Zielsetzung, der die museale Darstellung der Migration folgen sollte, und der historischen Wirklichkeit?
BORSDORF: Nein. Überhaupt nicht. Wir nehmen es als selbstverständlichen Tatbestand, dass das Ruhrgebiet historisch ein Einwanderungsland war und immer noch ist. Wenn wir Migration definieren wollen, wären wir gut beraten, nicht die Flüchtlinge aus dem Osten beispielsweise nur deswegen hinzuzunehmen, weil auch sie den Ort gewechselt haben – wechseln mussten. Das wird aber nicht relevant, weil es keine kulturelle Differenz zu überwinden gibt. Da liegt der Punkt: Wird durch Migration eine kulturelle Differenz angerührt? Diese Aufladung ist wichtig, weil es eine Gerechtigkeitslücke in der Darstellung dieser kulturellen Differenz gibt.
K.WEST: Herr Eryilmaz, Halten Sie es für realistisch, die beiden Perspektiven – die der Mehrheitsgesellschaft, wie Herr Borsdorf sagt, die der Migranten – zueinander zu bringen? Eine gemeinsame Geschichte zu erzählen?
ERYILMAZ: Es existiert ja bereits die vierte Generation in Migrantenfamilien. Diese Generation kennt meist die Geschichte ihrer Eltern oder Großeltern gar nicht. Weil sie nicht erzählt wurde, oft aus Scham. Daher wünschen wir uns einen Lernort, an dem die Migranten und ihre Kinder, aber auch die Mehrheitsgesellschaft diese Geschichte, die ein Teil der Geschichte Deutschlands ist, erleben können. Ob das geht, hat natürlich viel damit zu tun, wie dies dargestellt wird, mit welchen Objekten, auf welche Weisen. Das müssten Museumsexperten zusammen mit uns entwickeln.
KUFEN: Vielleicht darf ich den Anspruch verdeutlichen, den ich an eine solche Ausstellung stelle: Mir ist wichtig, dass Migration dargestellt wird als selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft. Dass Ursachen und Zusammenhänge dargestellt werden. Dass Migration nicht verkitscht und verklärt und ohne Angst und ohne Träumereien als unsere deutsche Geschichte erzählt wird. Integration ist dann gelungen, wenn soziale Probleme, die wir haben, nicht mehr ethnisch überhöht werden. Wenn in NRW jedes dritte Kind mit Zuwanderungsgeschichte von Hartz-IV lebt, dann ist das ein soziales Problem und kein Migrations- oder Integrationsproblem.
K.WEST: Dennoch: Wie kann man erreichen, dass die Geschichte und Geschichten der Migration so erzählt werden, dass die, die es unmittelbar nicht angeht, sie wie ihre eigene erleben?
ERYILMAZ: In der Ausstellung »Projekt Migration« in Köln haben wir das ja mit Erfolg versucht – da wurde das Thema Migration auf allen erdenklichen Ebenen dargestellt, umfassend, mit künstlerischen, dokumentarischen, atmosphärischen Mitteln. Das ist anders als diese schöne Geschichte vom Moped, das dem millionsten Gastarbeiter geschenkt wird. Die nämlich ist die typische Darstellungsweise der Mehrheitsgesellschaft.
K.WEST: Also muss ein Museum der Migration die Geschichte der Desintegration erzählen?
KUFEN: Nein, sondern als bisher unerzählte Geschichte wahrgenommen werden. Ohne Angst und Träumereien. Die Arbeitsmigration der 50er und 60er Jahre war eine systematische Anwerbung vorrangig von ungelernten Kräften. Sich heute hinzustellen und zu beklagen, dass die Zuwandererkinder nicht alle das Abitur machen, verkennt den Zusammenhang zwischen Bildungsaufstieg und Einkommen.
ERYILMAZ: Ihre soziale Analyse ist zwar wichtig, es ist aber anderseits auch eines der Vorurteile, dass die meisten Migranten aus der Türkei ungebildet seien. Unsere Recherchen haben ergeben, dass das eben in dem Ausmaße nicht so war. Ein Drittel der Arbeitsmigranten wurde gezielt nach Kriterien ihrer Ausbildung angeworben.
K.WEST: Wie werden die beiden Perspektiven – die der Autochthonen, die der Allochthonen – bei Ihnen zusammengebracht, Herr Borsdorf?
BORSDORF: Wir erzählen sie aus unserer museologischen und wissenschaftlichen Perspektive. Ich glaube nämlich nicht, dass man Italiener von Herkunft sein muss, um die italienische Migration sachgerecht darstellen zu können. Sonst könnte man Wissenschaft aufgeben. Natürlich können wir auch nicht aus möglicherweise aktuellen politischen Gründen die Migration ins Ruhrgebiet einfach als Erfolgsgeschichte beschreiben. Historisch gesehen gab es viele Konflikte, Leid und Elend. Allerdings auch das Gegenteil. Man kann Aufstiege von migrierten Familien erleben, die sagenhaft sind.
K.WEST: Gibt es derzeit einen Paradigmenwechsel? Der überkommene Standpunkt war, Sesshaftigkeit für den Normalfall zu halten. Der neue scheint zu sein, die Bewegung als den Normalfall anzusehen – Städte beispielsweise lassen sich viel besser unter diesem Aspekt verstehen.
BORSDORF: Wenn man die Perspektive der Sesshaftigkeit einnähme, könnte man die Geschichte des Ruhrgebiets bis in die Mitte der 1920er Jahre gar nicht beschreiben. Zumal die hierher Gekommenen weiterhin lokal außerordentlich mobil blieben, die Belegschaften von Zechen bis vor dem Ersten Weltkrieg jährliche Fluktuationen von über 100 Prozent aufwiesen. Auch sind viele, die aus den preußischen Ostgebieten ins Ruhrgebiet gekommen waren, nach Gründung des Staates Polen dorthin zurückgewandert. Zum Mythos des Ruhrgebiets gehört, dass die Integration der Migranten weitgehend friedlich gelang. Tatsächlich, Konvulsionen sozialer Art sind für das Ruhrgebiet eher nicht typisch.
K.WEST: Gehört ein Sammlungsschwerpunkt zur Migration nicht doch eher in ein bestehendes historisches Museum zur deutschen Geschichte – nach Bonn, nach Berlin? Dahin also, wo sich Deutsche über ihre Geschichte verständigen. Gerade wenn der Anspruch besteht, ein gemeinsames kulturelles Gedächtnis zu schaffen?
BORSDORF: Das könnte man auch phasenweise abwickeln. Im Moment gehört zur Stärke des DOMiD, dass es das Vertrauen derjenigen Gruppen genießt, deren private Objekte man bekommen möchte. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass zunächst einmal das DOMiD weiterhin diese Dinge sammelt. Wenn es sich museologische Kompetenz erworben hat, und das hat es, wenn es entsprechend kompetente Partner hat, dann braucht man seine Sammlung derzeit nicht an ein Museum anzudocken. Ich halte die Migration für eine nationale Frage. Deshalb muss auch im Haus der Geschichte in Bonn wie im Deutschen Historischen Museum in Berlin dieser Aspekt in die Dauerausstellung integriert werden.
K.WEST: Würden Sie helfen, den Part Migration in einem bestehenden Museum zu vergrößern?
ERYILMAZ: Warum? Wenn solche Häuser diese Aufgabe jahrelang vernachlässigt haben, welche Legitimation besitzen sie dann? Das DOMiD hat sie sich in 17 Jahren ohne institutionelle öffentliche Förderung, fast nur aus eigener Kraft erworben, während die Erinnerungskultur der Vertriebenen mit vielen Millionen gefördert wurde. Unsere Kompetenz ist ignoriert worden. Warum sollte DOMiD seine Sammlung also an die etablierten Museen geben?
K.WEST: Was würden sie sich denn für das DOMiD wünschen?
ERYILMAZ: Dass unsere Sammlung mit öffentlichen Geldern institutionell gefördert wird. Der zweite Schritt wäre: ein Museum der Migration in Deutschland, in der die Migration als Teil der deutschen Geschichte dargestellt wird. Also kein Museum für Migranten. Bis dahin sind wir bereit, allen interessierten Museen Material für Wechselausstellungen zur Verfügung zu stellen.
BORSDORF: Die Frage muss aber gestellt werden, wie denn Migration in einem Museum überhaupt dargestellt werden kann. Wenn dies, wofür vieles spricht, nur anhand von Objekten geschehen kann, dann sprechen wir von Alltagskultur. Museen zur Alltagskultur gibt es in Deutschland aber erst seit 20 Jahren. Das berechtigte Anliegen des DOMiD ist, im kulturellen Gedächtnis der Bevölkerung in Deutschland einen Platz zu haben. Gedächtnisse sind in demokratischen Gesellschaften aber institutionell verschieden organisiert, nicht nur durch Museen. Es gibt auch Denkmale, Bibliotheken, Archive, Lehrstühle usw. Deshalb muss man achtgeben, dass man die Institution Museum nicht überfordert. Sondern sein Augenmerk auch auf die anderen Gedächtnisorte richtet, die keinen materiellen Ort haben, um im kulturellen Gedächtnis der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland anzukommen.
K.WEST: Welche konkreten Pläne verfolgt denn die Landesregierung in dieser Sache?
KUFEN: Zusammen mit der Stadt Köln wollen wir das Archiv des Vereins DOMiD sichern und eine Sammlung Geschichte der Zuwanderung nach Nordrhein-Westfalen konzipieren. Das ist für 2008 vorgesehen. Allerdings ist die Qualität des Archivs entscheidend – das macht den Messie zum Archivar. Ein Archiv muss zugänglich und nutzbar sein. Zweitens wollen wir das internetgestützte Projekt »Route der Migration« weiter ausbauen.
Drittens wollen wir die Partner, die wir bislang haben, beispielsweise das Ruhr Museum, darin bestärken, die Migrationgeschichte in ihren Häusern deutlicher zu machen. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus die Landesstelle Unna-Massen, die eine beispielhafte Ausstellung über die Zuwanderung der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler aufgebaut hat. Schließlich ist mir der Brückenschlag nach Europa wichtig. Andere europäische Länder haben selbst große Erfahrungen als Einwanderungsländer gesammelt. Das könnte auch ein interessanter Beitrag im »Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs« sein, zu dem die EU das Jahr 2008 erklärt hat.
Das ist unsere Agenda.
www.domit.de und www.ruhrlandmuseum.de und www.migrationsroute.nrw.de