TEXT: REGINE MÜLLER
Mit »Die Drehung der Schraube« ist Benjamin Brittens Kammeroper nach Henry James gleichnamiger Novelle etwas unbeholfen übersetzt. Der metaphorische Titel will das Unentrinnbare erfassen, das den Figuren widerfährt. Die Kölner Oper wählte mit dem Neorenaissancebau der Trinitatiskirche einen Spielort, der eine heikle Assoziation zum Sujet zulässt. Handelt die Geschichte doch von traumatisierten und missbrauchten Kindern.
Das Verbrechen kommt im Laufe der mysteriösen Handlung erst allmählich ans Licht. Eine Gouvernante (Claudia Rohrbach, deren wendiger Sopran mühelos in den Höhen und warm timbriert ist) zieht ins Landhaus Bly, um die Betreuung von Miles und Flora im Auftrag des Vormunds zu übernehmen. Ihr fallen seltsame Gewohnheiten und rätselhafte Verhaltensweisen der Kinder auf. Über allem liegt kollektives Schweigen. Die junge Frau glaubt, dass die Geschwister unter dem Einfluss von Geistern stehen, die das Haus heimsuchen. Und erkennt in denen die verstorbenen Angestellten Quint und Miss Jessel, die einst die Kleinen quälten und die weiterhin ihren heillosen psychischen Bann ausüben.
Durch das Langhaus der Kirche führt ein langer, schmaler Steg, die Zuschauer sitzen beidseitig in nächster Nähe; in einer Ausbuchtung sind einige Requisiten für das sublime Horrorstück angerichtet (Bühne Tobias Flemming). Die psychologisch genaue Regie von Benjamin Schad löst das Ahnungsvolle und Indirekte nur andeutungsweise auf. Der sakrale Schauplatz und die intime Konzentration schaffen sich eine eigene Aua. Eine 13-köpfige Solisten-Abordnung des Gürzenich-Orchesters spielt unter Raimund Laufen die transparente Partitur fabelhaft präzise. Das Ensemble ist glänzend, neben Rohrbach und den Übrigen besonders die 70-jährige Star-Sopranistin Helen Donath als Mrs. Grose: leuchtend, makellos und intensiv präsent.
Auch die diffizile Besetzung der Kinderrollen wurde großartig gelöst: Carlo Wilfart von der Chorakademie Dortmund mit kraftvollem, glasklaren Knaben-Sopran und Ji-Hyun An aus dem Opernstudio silbrig und zierlich als Flora.
Bravi!