Wo haben wir überall unsere Finger im Spiel? Welche Probleme sind handgemacht? Und gibt es überhaupt noch Sphären, die sich unserem Einfluss entziehen? Darüber wird im Jubiläumsjahr des »Literaturdistrikt«-Festivals vom 4. bis 16. November an verschiedenen Orten in Essen diskutiert und dazu gelesen. (Auch) über Kulturverständigung in einer pluralen Gesellschaft. »menschengemacht« ist das Motto mit viel Raum für Reflexion: Es geht um Braunkohle und Onlinedating, Kolonialismus und neoliberale Mindsets, Liebe und die Macht der Entscheidung. Hier kommen drei Empfehlungen.
Was wäre wenn?
SASA STANISIC STELLT SEINEN NEUEN ERZÄHLBAND VOR.
Hat Saša Stanišić für seinen Bestseller »Herkunft« nur dieses eine Wort gebraucht, bietet er uns auf dem Cover seines neuen Erzählbandes gleich 17: »Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne« heißt das Buch, das zuletzt mit dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Mit originellen Figuren und gewohnt humorvoll grübelt der Autor über das Spekulative, über das große »Was wäre wenn«, das uns im Leben immer wieder begegnet. »Menschengemacht« ist auf der ganz persönlichen Ebene jede unserer Entscheidungen. Genau diese treffen auch Stanišićs Figuren in alltäglichen sowie absurden Situationen. Was wäre, wenn es einen Modus gäbe, in dem man alternative Zukunften des eigenen Lebens ausprobieren könnte? Stanišić erzählt es uns in einer Zusatzshow nach dem Festivalzeitraum im Dezember.
11. Dezember, 20 Uhr, Astra Theater
Ein wilder Ritt
ENIS MACI UND PASCAL RICHMANN PERFORMEN »PANDO«.
Wenn ein gemeinsames Buch aus zwei Federn entspringt, ist das immer etwas Besonderes. Kollektive Schreibarbeit bedeutet auch: Reibung, Dialog, Zueinanderfinden. Essayistin und Dramatikerin Enis Maci und Autor Pascal Richmann wagen mit ihrem gemeinsamen Roman einen poetischen Trip, der uns aberwitzig durch Epochen und Figurenkonstellationen führt. Das Ehepaar Hans und Reja reist gemeinsam vom Ruhrgebiet in die Welt, durch Zeit, Geschichte(n) und Erinnerungen, die sich in die Gegenwart einschreiben. Während Albrecht Dürer in der Nähe von Jülich Blutwurst isst, kreuzen Konquistadoren den Golf von Yucatan. Der poetische Strom führt uns vom Bottroper Moviepark bis zu den Universal-Studios, vom Dortmunder Hauptbahnhof in die Wüste Uthas und macht dabei Abstecher in die Jahre 2005, 1977 oder 1520. Und was genau ist nun »Pando«? Das größte Lebewesen der Welt, sagen die Autor*innen. Noch nie gehört? Vielleicht liefert ihre performative Lesung Antworten.
5. November, 19.30 Uhr, Ada im Grillo Theater
Mensch, Maschine, Algorithmus
ELIAS HIRSCHL LIEST AUS SEINEM SATIREROMAN »CONTENT«.
Die Protagonistin von Elias Hirschls »Content« erlebt die volle Wucht der »Turbodigitalisierung«, heißt es im Ankündigungstext. Was für ein Wort, was für ein Vibe! Seinen Satireroman hat er während eines Stadtschreiberstipendiums im Ruhrgebiet verfasst und ist damit direkt auf der Shortlist für den Österreichischen Buchpreis gelandet. Der Titel lässt bereits erahnen, wohin die Reise geht: Wir loggen uns ein und landen bei Listicles, YouTube und ChatGPT. Die Protagonistin des Romans arbeitet in der sogenannten Content-Farm »Smile Smile Inc«, um sinnentleerten Content für boomende Clickbates zu produzieren. Sie lebt in einer Welt, die vom Digitalen bestimmt wird, von Algorithmen, Screentime und Datingapps. Alles nimmt seinen maschinellen Lauf – zumindest so lange, bis die Kurierfahrer*innen streiken und die Welt unterzugehen droht.
11. November, 19.30 Uhr, Café Central des Grillo-Theaters