Er hat ein neues Wort erfunden. Freilich nicht extra für die phil.Cologne, auch wenn Slavoj Žižek gleich zu ihrer Eröffnung antritt – und in der Flora eine große Bühne bekommt: »Mehrlust« nennt einer der prägendsten Philosophen der Gegenwart das, was aus seiner Sicht den Irrsinn der sozialen Gegenwart umschreibt. Ein Zustand zwischen Überfluss und Unersättlichkeit. Eine Verbindung aus Marx’ »Mehrwert« und Freuds »Lustgewinn«, mit der der Slowene die großen gesellschaftlichen Streitthemen unserer Zeit vermisst – von Cancel Culture über Kapitalismus bis zu Covid-19. Žižek will am 6. Juni mögliche Auswege aus verzwickten Lagen zeigen. Dass es dann einfache Antworten auf die schwierigen Fragen unserer Gesellschaft gibt, ist aber kaum anzunehmen.
38 Veranstaltungen sind bei der phil.Cologne vom 6. bis 13. Juni mit Stimmen aus Philosophie, Wissenschaft und Politik in Köln geplant. So viele, wie noch nie. Prominentester Gast dürfte diesmal Bundeskanzler Olaf Scholz sein, der mit dem Philosophen Axel Honneth über »Arbeit und Demokratie« sprechen will – und Politikverdrossenheit (12. Juni im Comedia Theater). Auch sein Stellvertreter, Vizekanzler Robert Habeck, kommt zu Besuch – um am 9. Juni im WDR-Funkhaus auf Peter Sloterdijk zu treffen. Der hat der modernen Menschheit unlängst globale Brandstiftung in seinem neuesten Werk »Die Reue des Prometheus. Von der Gabe des Feuers zur globalen Brandstiftung« bescheinigt. Im Gespräch mit Habeck – der selbst übrigens Philosophie studierte – soll es um unseren Umgang mit Feuer, Kohle und Öl gehen. Und natürlich um die Mittel, mit denen der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz den Problemen der Energiekrise begegnen will.
Der ehemalige Innenminister Gerhart Baum engagiert sich auch mit 90 Jahren leidenschaftlich für die Leitmotive seines politischen Lebens: Freiheit und Menschenrechte. Beide sind allgegenwärtig bedroht, national wie global. Über Auswirkungen und Konsequenzen spricht er am 11. Juni im Comedia Theater mit der Professorin für politische Philosophie Elif Özmen. Der Primatenforscher Frans de Waal beleuchtet am 8. Juni, was wir von Primaten über Gender, biologische Geschlechterunterschiede und die Rolle von Kultur und Sozialisation lernen können. Einen Tag später, am 9. Juni, schauen die Kulturwissenschaftlerin und KI-Expertin Mercedes Bunz und der wissenschaftliche Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, Antonio Krüger, auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz – angefacht von der
Veröffentlichung von ChatGPT – sowie deren Chancen und Risiken. Zudem hat die Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk ihren neuen Roman »Empusion: Eine natur(un)heilkundliche Schauergeschichte« über Thomas Manns »Zauberberg« im Gepäck, in dem sie ihre Protagonisten in einem niederschlesischen Sanatorium zu Beginn des 20. Jahrhunderts über das Weltgeschehen philosophieren lässt – während es zu mysteriösen Todesfällen kommt.
6. bis 13. Juni 2023, verschiedene Orte in Köln