TEXT: ANDREAS WILINK
Die Augenklappe von Fritz Lang trägt hier Joh Fredersen, Herr über Metropolis, den Wolfgang Rüter in aasiger Eleganz zum Besten gibt. Was will uns der Regisseur damit sagen? Dass Lang ein ebensolcher Tyrann und Alleinherrscher gewesen ist wie der monströse Kapitalist, der die Arbeiterheere ausbeutet. Die Frage löst sich nicht. Eigentlich gar keine. Was für eine Hybris, den Stummfilm, eine einzige Bild-Großkundgebung, auf die Bühne zu bringen, und ihn dann jeder Großartigkeit zu berauben, die nicht zu leugnen ist, selbst bei kritischer Betrachtung von Langs & Harbous Vision, ihrem melodramatischen (Groschenroman-)Pathos und den totalitären Aspekten, die als »Geometrie der Masse« inszeniert werden. Das Gebot »Du sollst dir kein Bildnis machen!« – für »Metropolis« muss es aufgehoben sein. Obwohl, ein bisschen Kino gibt’s in Bonn schon auch: Ein paar Schwarzweiß-Videobilder werden auf die Ziegelwand in der sanierten, räumlich erweiterten Halle Beuel gebrannt, die Bonns Kulturdezernent darob vollmundig zur zentralen Spielstätte erklärte, was zu Murren beim Premieren-Publikum führte, das sich seine Godesberger Kammerspiele nicht klein reden lassen will.
An Text und Dialog mangelt es diesem »Metropolis« nicht, es wird munter drauflos geschwätzt. Die Autoren der Fassung (Regisseur Jan-Christoph Gockel und Dramaturg David Schliesing) haben gewiss fleißig Artikel zum NSA-Skandal studiert, »Matrix« gesehen und Juli Zeh gelesen. »Metropolis« hochgerechnet: Es geht nun um Daten-Ströme, -Speicher und -Überwachung usw. Der Zuschauer wird unterfordert, als könne er nicht selbstständig denken und die Metapher Metropolis auf die Gegenwart projizieren. Die These lautet: Der werktätige Mensch hängt nicht mehr im Akkord am System und wird gefressen vom Moloch Maschine, sondern wurde selbst Teil der Maschine.
Dafür werden kleine skelettartige Puppen benutzt, die nichts auf den Rippen haben, und am Anfang mit ihren Schauspiel-Führern an Schreibtischen pfriemeln, klappern und werkeln, bis es in einen gestanzten Rhythmus von Techno-Beat und Robot-Sound Richtung Kraftwerk übergeht. Die Stimme eines Super-Computers, Nachfahr von HAL aus Kubricks »Odyssee«, die auch am Ende zitiert wird, gibt Anweisungen. Gleich ab Beginn wird jede Atmosphäre von Bedrohung und Großartigkeit, das Suggestive wie finster Fantastische ausgebremst, woran auch der pubertäre kurzbehoste Schreihals Freder Anteil hat. Die Figuren spielen weniger, als dass sie vortragen: Sprachmasken. Einer aus dem Ensemble trägt wenigstens auf seinen Kleidern die Original-»Metropolis«-Skyline, später werden ein paar Prospekte ausgerollt mit der Hochhaus-Architektur des genialen Erich Kesselhut. Ansonsten sind die schrägen Kostüme nostalgisch-futuristisch zwischen Art Déco und Gaultier – in dem ästhetischen Kauderwelsch der essayistisch platten Inszenierung eine weitere Vokabel.