Die internationale tanzmesse ist einzigartig. Weltweit gibt es keinen anderen Marktplatz, der ausschließlich den zeitgenössischen Tanz präsentiert – und gleichzeitig als Festival lockt. »Wir verkaufen Kontakte«, bringt der neue künstlerische Leiter Felix Wittek das Erfolgsmodell auf den Punkt. In 20 Jahren hat sich gezeigt, dass langfristige Kooperationen wertvoller sein können als Gastspielengagements – und volle Adressbücher wertvoller als volle Auftragsbücher.
Wittek zeichnet verantwortlich für die Geburtstagsedition der Biennale. Sie lockt Ende August Tanzschaffende aus der ganzen Welt in die Hallen im Düsseldorfer NRW-Forum und zu Veranstaltungen an elf Spielorten in der Landeshauptstadt, Krefeld und erstmals Leverkusen: Künstler, Produzenten, Programmmacher, Manager und Vermittler. Auch tanzinteressierte Zuschauer sind willkommen.
Der neue Direktor hat von seinem Vorgänger Kajo Nelles ein florierendes Event übernommen. Deshalb plant er keine radikalen Änderungen, sondern eine sanfte Weiterentwicklung, die das Projekt zukunftsfähig macht. So geht der 38-jährige Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler stärker auf die Nicht-Fachbesucher zu. Er hat die Berufstätigen im Blick, wenn er populäre Gastspiele in den Abend verlegt. Ein Novum: Mit der Jubiläumsausgabe wird er Tanz für junges Publikum ab zwei Jahren etablieren. Drei wunderschöne Produktionen haben Wittek und sein Team ausgesucht: Die niederländische Compagnie de Stilte bringt in »Flying Cow« Prinzessinnen, Glücksritter und Ballerinen auf die Bühne, um zu zeigen, wie unangenehm es ist, wenn man beim Spielen ausgeschlossen wird. Die Kölner Compagnie tanzfuchs füllt in »Alles im Eimer?« Gefäße literweise mit Gefühlen. Und Kopergietery aus Belgien erzählt in »The (im)possible friendship between Augustijn and Stef« die Geschichte von zwei Charakterköpfen.
Wittek geht noch weiter: In dem Patenschaftsprogramm »Explore Tandem« nehmen NRW-Choreografen je einen oder zwei Jugendliche an die Hand, um mit ihnen den Markt zu besuchen und ihnen die Tanzwelt zu erklären. Audience development lautet das Zauberwort.
Der wirtschaftliche Nutzen der Kommunikationsbörse für Choreografen, Tänzer und Ensembles soll deutlich erhöht werden. Deshalb baut der neue Chef die Diskussionsforen aus. Themen wie der Zugang zum Tanzmarkt oder innovative Entwicklungen werden hier verhandelt. Beispiel: Räume der Kunst als Betätigungsfeld für Choreografien; da sitzt dann bei dem Talk »Dance in museums. Does it have palace?« Kunsthallen-Chef Gregor Jansen mit auf dem Podium.
Die Macher erwarten mindestens 1500 Fachbesucher, wenn sich Ende August über 400 Tanzensemble aus aller Welt an 125 Messeständen präsentieren. 60 internationale Kompanien treten im Festivalteil »tanzmesse on stage« auf, der mit zahlreichen deutschen Erstaufführungen wirbt. Dabei nimmt die NRW-Szene, die zu mindestens 80 Prozent vertreten ist, einen besonderen Platz ein – schließlich wurde die Messe 1994 gegründet, um dem Tanz vor Ort ein Forum zu geben.
Das Performance-Programm ist eine Mischung aus Prominenz und Newcomern, Klassik und Innovation. So eröffnen Starchoreograf Angelin Preljocaj und sein Ensemble die Veranstaltung mit der Deutschlandpremiere von »Empty Moves«. Das Ballett ist inspiriert von der Originalaufnahme einer »Lesung« von John Cage aus dem Jahr 1977. Fragmentierte Gesten treten in einen Dialog mit Fetzen von Wörtern und Tönen. Zum Finale dann Trash und Glamour: »Jemina – act as you’d known her« von der Helsinki Dance Company dreht sich um eine traurige Drag Queen zwischen Softporno und Comedy. Zum Jubiläum schenkt die Kunststiftung NRW dem Geburtstagskind ein Auftragswerk von Ben Riepe. Titel: »Der letzte Schrei – artists are alive«. Auch eine programmatische Unterzeile für das Gesamtspektakel.
27. bis 30. August 2014. www.tanzmesse.com