Der 43-jährige Salomon Bausch bewahrt das künstlerische Erbe seiner Mutter Pina – und trägt es in in die Zukunft.
Salomon Bausch hat mit dem kostenlosen digitalen Pina Bausch Archiv den – weltweit einzigartigen – Datenschatz einer Ausnahme-Choreografin gesichert. Zu allen 53 Werken hält es Materialien bereit. Nach dem Tod seiner Mutter 2009 hatte der Jurist seine Promotion abgebrochen, um die Bausch Foundation zu gründen und als Vorstand zu leiten. Heute reist er in nahe und ferne Länder, um Partnerschaften zu knüpfen. Oder er initiiert tanzhistorische Initiativen. So »Das Frühlingsopfer« (1975) mit einem Ensemble von 38 Tänzer*innen aus 14 afrikanischen Ländern, das die Foundation für diese Kooperation gecastet hat. Oder »Kontakthof – Echoes of ’78«, in dem Künstler*innen der Originalbesetzung ihrem jüngeren Ich, projiziert in überlebensgroßen Schwarz-Weiß-Filmaufnahmen von 1978 auf einer Leinwand hinter der Bühne, begegnen – und das in diesem Jahr zum Berliner Theatertreffen eingeladen ist.
kultur.west: Herr Bausch, was treibt Sie an?
SALOMON BAUSCH: …eine große Neugier. Meine Arbeit hat so vielen Facetten. Da sind die Stücke meiner Mutter, die wir auf die Bühne bringen – in Wuppertal und mit Kompanien weltweit. Oder das Archiv, in dem es so viel zu entdecken gibt und das wir auf vielfältige Weise zugänglich machen. Auf unserer Website gibt es mittlerweile auch einige Filmjuwelen – von, mit oder über Pina Bausch.
kultur.west: Was bedeutet Neugier für Sie?
BAUSCH: Ich bin neugierig auf Tänzer*innen aus der Vergangenheit, die an der Entstehung der Stücke beteiligt waren. Dazu kommt die Neugier auf das, was kommt, auf diejenigen, die die Stücke in Zukunft tanzen und diejenigen, die davon berührt und inspiriert sein werden. Ich höre auch viel zu. Manchmal sind es ganz alte Ideen, die mich inspirieren. So hatte ich gehört, dass sich meine Mutter bei der Entstehung von »Kontakthof« vorstellte, wie es wohl wäre, das Stück zu sehen, wenn ihre Tänzer*innen viel älter sind. Wahrscheinlich hatte sie dabei nicht an 46 Jahre gedacht, trotzdem wollte ich es jetzt wagen. Meryl Tankard aus der Originalbesetzung schlug vor, fehlende Personen nicht nachzubesetzen, sondern ihre Plätze frei und sie in den Projektionen aufleben zu lassen. Damit hat sie eine grandiose Kommunikation zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Bühne und Archiv geschaffen. Aus einer vielleicht unrealistischen Ausgangsidee ist etwas Besonderes entstanden. Gastspieleinladungen haben wir schon aus der ganzen Welt.
kultur.west: Welcher Ort inspiriert Sie?
BAUSCH: Wuppertal. Diese Stadt ist denkbar eng mit der Arbeit meiner Mutter verknüpft. An keinem anderen Ort der Welt hätte sie ihr Werk auf ihre Weise so entwickeln können. Sie war immer gerne hier. Und für Stiftung und Tanztheater geht es hier weiter – Stichwort: Pina Bausch Zentrum.
kultur.west: Wie soll das Zentrum aussehen?
BAUSCH: Es wird eine neue Dimension eröffnen, indem es die Stadt und das Erbe meiner Mutter noch enger miteinander verbindet. Ausgangspunkt ist das denkmalgeschützte, ehemalige Schauspielhaus, das sich mit einem Neubau zu einer neuartigen Institution verbinden soll. Mit Elisabeth Diller aus New York haben wir eine der besten Architekt*innen gewonnen. Das Projekt ist komplex und daher langwierig. Aber da wir viele Ideen schon heute in unsere Arbeit einbringen können, ist es mir möglich, den Spannungsbogen über die Jahre aufrechtzuerhalten. Viele Themen sind uns schon heute Inspiration – wie die Zielgruppen. Das Werk meiner Mutter hat viele Menschen erreicht. Aber ich bin sicher, dass es das Potenzial hat, noch viel mehr Zuschauer*innen mit unterschiedlichem Hintergrund zu berühren. Einfach, weil man ohne jegliches Vorwissen einen Zugang dazu finden kann. Ich glaube, dass ein solches Zentrum mit seinen Ideen von Partizipation und seiner Öffnung in die ganze Stadt da eine große Hilfe sein wird.
Pina Bauschs »Die sieben Todsünden« läuft vom 12. bis 21. April im Opernhaus Wuppertal (Vorverkauf ab 14. Februar).