Das klingt sakral. Aus dicken Lautsprecherboxen tönt und dröhnt es – der Orgelsound hat das K21 fest im Griff. Kaum eine Ecke, wo man Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge in d-Moll entweichen könnte. Lutz Bacher hat das Kirchenkonzert in New York per Smartphone mitgeschnitten und daraus die bombastische Sound-Installation gemacht. In Düsseldorf ertönt ihre »Music in the Castle of Heaven« stündlich für zehn Minuten als Teil einer recht überschaubaren Einzelausstellung. Dazu gehören auch 26 spiegelnde Halbkugeln, die sich an die Wände im Entree heften. Dekorativ wirkt das, aber nur solange man nicht auf Hintergedanken kommt, in den konvexen Spiegeln probate Überwachungsinstrumente wiedererkennt und sich sofort total beobachtet fühlt.
Die Schau in der Kunstsammlung NRW vereint vor allem neueste Arbeiten der US-Künstlerin, die seit den 70er Jahren aktiv ist und seither nicht nur mit ihrem männlichen Pseudonym Rätsel aufgibt. Eigentlich ist die ganze Frau ein Geheimnis: Sie zeigt sich selten, spricht nicht über ihre Kunst und hielt selbst die grundlegendsten persönlichen Daten über Jahrzehnte hinweg erfolgreich unter der Decke. Inzwischen hat sich der Nebel um das Phantom der Kunstwelt ein wenig gelichtet. Ein paar institutionelle Ausstellungen hat Bacher in den letzten Jahren bereits hinter sich gebracht; im Netz ist die ältere Dame sogar mit einem Video präsent. Da sitzt sie barfuß auf einem Sessel in der Wiener Secession und erzählt – nicht etwa über ihre Kunst, sondern über die eigene Kindheit.
Neustart im Ständehaus
Zum rechten Zeitpunkt holt Gaensheimer den noch »Geheimtipp« zur ersten Einzelausstellung in einem deutschen Museum nach Düsseldorf. Dort steht Bachers Auftritt nicht für sich – er läutet noch dazu lautstark einen kleinen Neustart im Ständehaus ein. Der war wohl nötig, wenn nicht überfällig. Denn zuletzt konnte der schöne, 2002 eröffnete Kunstsammlungs-Standort immer weniger Besucher locken – während der Woche fand man das schmucke Haus am Kaiserteich oft gähnend leer.
Susanne Gaensheimer, seit einem Jahr Direktorin der NRW-Landesgalerie, ruft zur Wiederbelebung. Ein paar Wochen lang wurde hinter verschlossenen Museumstüren gestrichen, renoviert und die ständige Sammlung mit Werken der vergangenen rund 40 Jahre neu konzipiert. Ein paar altbekannte Stars mit Wiedererkennungswert hat man aus dem Depot geholt – Jeff Wall mit seinen inszenierten Großfotos etwa, Strickbilder von Rosemarie Trockel und Katharina Fritschs »Mann mit Maus«. Zwei Kuratoren arbeiten künftig vor Ort. Im Untergeschoss soll Platz für prominentere Künstler und größere Auftritte sein. Auf der Piazza will Gaensheimer regelmäßig Performances eine Bühne geben. Drei Säle in der Bel Etage sind für Ausstellungen mit experimentellem Anstrich reserviert.
Der rechte Ort für Lutz Bacher. Nach dem wirkungsvollen Start auf der Piazza mit Orgel und Überwachungskugeln trifft man hier auf eine Künstlerin, die subtil, mit stillem Humor und offensichtlichem Missfallen Gesellschaft und Politik im eigenen Heimatland USA bespiegelt. Im Zentrum ihres intelligenten, sich über drei Räume erstreckenden Arrangements steht eine Horde von Schlafanzughosen. Bacher hat sie in einem Shop für Restposten erstanden und Stroh aus Texas hineingestopft. Bedruckt mit Schlagwörtern wie »Las Vegas«, »Casino«, »Jackpot« und großen Dollarzeichen, stehen die Beinkleider für eine Mischung aus Cowboyfeeling und dem Traum vom schnellen Geld: »Go big or go home.« Dazu raunen Tonschnipsel aus alten US-Spionagefilmen durch die Raumflucht.
Die funkelnden Vorhänge in den Türen entpuppen sich als ausgemusterte Requisiten der NBC-Comedy-Show »Saturday Night Live«. Hinzu kommen große Monitore, wo scheinbar beiläufige Alltags-Notizen zu lesen sind und vermeintlich bedeutungsvolle Sätze, die von der buddhistischen Zen-Lehre inspiriert sind. Das alles umgibt und umschließt ein Fries, der wie eine Tapete an allen Wänden klebt: Im verzerrten Zickzack machen Kenner Donald Trumps Unterschrift aus, die der so gern in laufende
Kameras hält – endlos und übergroß. Beunruhigend. Was bleibt ist die Flucht unters Glasdach. Für die nächsten Jahre lässt Gaensheimer »in orbit«, das sagenhafte Netz von Tomas Saraceno, hier oben hängen. Bei einer Kletterpartie wird man den US-Präsidenten im Nu vergessen und auf ganz andere schwindelerregende Gedanken kommen.
»LUTZ BACHER. WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT«
BIS 6. JANUAR 2019 IN DER KUNSTSAMMLUNG NRW, K21, DÜSSELDORF
TEL.: 0211/8381204