Typisch deutsch
Die Fotografen David Carreno Hansen, Sven Stolzwald und Christian A. Werner ziehen mit der Kamera durchs Land
Herrlich, dieses neugotische Wohnhaus, über das einfühlsam eine riesige Hochstraße gebaut wurde. Schon das Coverbild nimmt es vorneweg: Dieses Fotobuch wird kein pittoresker Bildband werden. Und will es auch gar nicht sein. Ein Kaleidoskop an Reiseimpressionen natürlich schon, denn die drei Studenten der Dokumentarfotografie, David Carreno Hansen, Sven Stolzenwald und Christian A. Werner haben sich für ihre gemeinsame Abschlussarbeit mit der Kamera aufgemacht, die eigene Republik zu erkunden. Schonungslos, schräg sind ihre Blickwinkel, manchmal (zu) klischeehaft die Motive, aber nicht selten sehr witzig. AKI
Heiter bis wolkig – Eine Deutschlandreise,Fotografien von David Carreno Hansen, Sven Stolzenwald, Christian Werner, Text(e) von Frank Goosen, Hatje Cantz, 240 Seiten, 144 Abb., 20 Euro
Rückzug in den Wald
Mit Henry David Thoreaus »Walden« über das Leben nachdenken
»Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näherzutreten…«. Mitte des 19. Jahrhunderts ließ der Lehrer und ehemalige Harvard-Student Henry David Thoreau sein altes Leben hinter sich und zog in eine selbst gebaute Blockhütte am Walden Pond in den Wäldern von Massachusetts. Rund zwei Jahre lebte er dort, versorgte sich größtenteils selbst, beobachtete Mäuse, Eulen, Hasen, saß in der Sonne und wanderte durch die stillen Wälder. Thoreau ging es dabei weniger um einen romantischen Eskapismus als viel mehr um die Suche nach einem alternativen, selbstbestimmten Lebensstil, im Einklang mit sich selbst und der Natur, weit weg von Industrialisierung und Arbeitszwang. Seine Erlebnisse und Gedanken aus dieser Zeit des Rückzugs hielt er in seinem 1854 erschienenen Buch »Walden« fest, eine Mischung aus Tagebuch und Bericht, in dem poetische Naturbeschreibungen ebenso zu finden sind wie philosophische Überlegungen zum menschlichen Dasein oder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Ökologie. Die Fragen, die er in »Walden« aufwirft, sind auch heute noch aktuell: Wie möchte ich leben? Wie frei bin ich? Was ist wirklich wichtig – und auf was kann ich verzichten? Ein Buch für alle, die nach Antworten suchen und diese vielleicht im Wald finden könnten. Oder in der Literatur. KS
Henry David Thoreau: Walden, Manesse, 608 Seiten, 25 Euro
Gehen und denken
Tomas Espedal macht sich auf den Weg zur Selbsterkenntnis
Alles hinter sich lassen und einfach weggehen. Genau das tut der norwegische Schriftsteller Tomas Espedal: »Ich gehe zur Tür hinaus, schließe sie hinter mir, es ist Morgen. Wohin soll ich gehen? Nach rechts oder nach links?« Für welche Richtung er sich entscheidet, erfahren wir in seinem inspirierenden Buch »Gehen oder die Kunst ein wildes und poetisches Leben zu führen«. In seinem nachdenklichen Reise-Essay nimmt Espedal uns mit auf seinem Weg durch wilde Landschaften und betonierte Städte. Wir übernachten mit ihm im Freien, lassen uns treiben, schreiben Tagebuch, betrinken uns in Gaststätten – und werden wieder nüchtern. Wir wandern mit ihm durch Norwegen, Deutschland, Frankreich und Griechenland, philosophieren über Zivilisation und Natur, begegnen den Thesen europäischer Denker von Jean-Jacques Rosseau bis Martin Heidegger. Der immer gleiche Rhythmus des Gehens, die Beschwerlichkeiten des Weges und die Herausforderungen der Einsamkeit bringen nicht nur Espedal dazu, über sein Leben, seinen Beruf, seine Familie nachzudenken. Auch bei uns Lesern wird ein Prozess der Reflexion angestoßen, an dessen Ende wir vor der Frage stehen, welchen Weg wir in unserem Leben einschlagen wollen. KS
Tomas Espedal: Gehen oder die Kunst ein wildes und poetisches Leben zu führen, Matthes & Seitz, 235 Seiten, 19,90 Euro