Wer ist Alex Katz? Ein ewiger Optimist, der sich dazu bekennt, desinteressiert an Politik zu sein. Eine Randfigur, die sich den Modediktaten innerhalb des Kunstbetriebs stets entzog, aber eine Schwäche für die Darstellung modischer gekleideter Leute kultiviert. Wer diesem Künstler, der zu Unrecht als Trittbrettfahrer der Pop Art heruntergespielt wurde, begegnet, nimmt zunächst seine Schüchternheit wahr. Aber auch eine Zufriedenheit mit sich und seinem Lebenswerk. Mit fast 80 Jahren, denen er die ganze Kraft der Kunst entgegensetzt, ist er einer der letzten Überlebenden jener Kämpfe, die seine Generation in den 50er Jahren gegen das Gegenständliche führte. Einer, der als Maler den Schein als Wirklichkeit par excellence würdigt und mit dem Begriff des Dekorativen keinerlei Probleme hat, weil dessen Harmonie jeden Inhalt überflüssig macht. Der die alltäglichen Dinge in Farben überführt.
Katz kann das Banale nicht banal genug sein, wenn es darum geht, den Bildern eine zur Interpretation zwingende Last der Bedeutung zu nehmen. Dabei reduziert er Formen auf ein Minimum. Alles Überflüssige oder Ausschmückende wird eliminiert. Mit seiner Malerei, die nicht planer sein kann, will er nichts als die Oberfläche der Dinge berühren. Keinerlei räumliche Tiefe wird suggeriert. Nur kein trompe l’oeil, heißt die Devise. Das Flächige der Leinwand wird nicht einmal geleugnet. Das Flache wird geradezu herausgeputzt, als wolle Katz den Vorwurf, Malerei sei Betrug, ein für allemal Lügen strafen. Der 1927 in Queens geborene Sohn polnischer Emigranten wurde von seinen Eltern, die selbst nur gebrochen Englisch sprachen, zum Sprachunterricht raus auf die Straße geschickt. Er spielte Baseball, arbeitete in den frühen 50er Jahren als Werbegraphiker unter demselben Chef wie später Andy Warhol. Katz studierte Kunst, erlernte auf einer Sommerakademie in Maine das Freilichtmalen, entdeckte 1949 Henri Matisse in einer New Yorker Galerie und ließ sich von Reklameästhetik und Filmszenen inspirieren. Heute ist er, der in den USA lange auf Erfolg warten musste, ein wegen der Direktheit seiner Bilder begehrter Star der New Yorker Szene. Mit zeitlicher Verzögerung setzt er sich seit einigen Jahren auch in Europa durch. Vor diesem Pionier, der nie zum Übervater der Gegenständlichkeit avancierte, verbeugen sich vor allem jüngere Kollegen wie Francesco Clemente, David Salle, Eric Fischl, Jeff Wall, Richard Prince, Elizabeth Peyton, Stephan Balkenhol, Beat Streuli oder Frank Bauer.
Bisher zu keiner »documenta« nach Kassel geladen, wurde er auch, wenn es um die Geschichte der amerikanischen Kunst im 20. Jahrhundert ging, bei uns schlicht übergangen. Eine ruckartige Aufwertung bis ins Kulthafte erfuhr sein Werk erst 1997 durch Bice Curigers Ausstellung »Birth of Cool« sowie durch die Saatchi-Schau in London. Vor vier Jahren widmete ihm die Bonner Bundeskunsthalle eine breit angelegte Retrospektive. Nun folgt die Langen Foundation in Neuss mit einer komprimierten Schau nach. Sie bestätigt, dass sein von Oberflächengeschöpfen bevölkertes Flachland von einem Mehr an ästhetischen Reizen überzogen ist.
Dass man sich so schwer tat, ihn zu den Großen zu zählen, hat mehrere Motive: Den einen erscheint seine Malerei zu seicht oder glatt, anderen zu amerikanisch oder eben als zu »oberflächlich«. Vielleicht lässt sich die Katz jahrzehntelang entgegengebrachte Ablehnung auch darauf zurückführen, dass er keinen Hehl aus seiner Absichtslosigkeit macht. Jedenfalls bietet er Sinnsuchern keinen Spielraum für Projektionen. Mit einem Blick, der vor allem beschreibt, tastet Alex Katz die Außenwelt nach ihrem Aussehen ab. Von Innenwelt keine Spur. Man sieht Farben, die Formen prägen, und Formen, die etwas repräsentieren, ohne hinter die Kulissen der Erscheinung zu dringen. Es gibt wunderbare, ganz großartige Bilder, die sich einem tief einprägen, neben gewiss schwächeren, die Unstimmigkeiten aufweisen.
Alex Katz ist ein Spezialist der Landschaft. Sein weißes Landhaus, das sich im Fluss spiegelt, ist ebenso Sujet wie das menschenleere Kanu in tiefer Blauzone. Momentaufnahmen: Bäume, verkümmert zu schwarzen Schatten; die von gelb flimmernden Blüten übersäten Farbpanoramen; die Lautlosigkeit eines blauen Meeres; ein Geflecht aus Baumzweigen, an denen kristalline Wassertropfen wie Lichterketten funkeln; ein Blätterwald, abstrakt zwischen grün und gelb changierend; eine Meereswelle, deren Blau weiß aufschäumt; eine gelbe, durch Grünzonen führende Straße, deren gerader Verlauf durch seitlich herein fallende Schatten abrupt unterbrochen wird; ein Haus, das in nächtlicher Dunkelheit fast zu versinken droht, dränge da nicht rettend grelles Licht aus Tür und Fenstern nach draußen.
Auch Menschen haben ihren Auftritt als coole Bewohner der Bilder. Darunter ein hübsches junges Paar auf lederner Couch. Strandbesucher, über deren Köpfe eine Möwe am Himmel hinwegsegelt. Paare, die sich umarmen. Gäste auf einer Stehparty vor großer Fensterfront. Das Gesicht einer Dunkelhaarigen mit weißem Hut. Der Künstler selbst, der beim Schwimmen lächelt, als werbe er für eine Zahncreme. Eine Kopftuchfrau, die sich unter einem blauen Schirm vor flachen Regentropfen schützt. Drei Badenixen in Liegestühlen mit Aussicht auf das lichtreflektierende Meer. Ein junger Mann mit wallendem Haar, gefolgt von einer gleichaltrigen Frau.
Alex Katz malt ausschließlich Menschen aus seinem Umfeld, nie Fremde. Und doch erscheinen sie alle so, als wäre die Distanz zu ihnen unüberbrückbar. Sogar die Porträts von Ada, seiner Ehefrau, belassen es bei der Andeutung ihrer nie gleich bleibenden Erscheinung. Anders als Edward Hopper, der den Beginn kinoreifer Geschichten erahnen lässt, bündelt Katz keine Zeit. Er belässt es beim Aufblitzen kurzer Augenblicke ohne Erinnerung an Gewesenes. Die reine Präsenz von Menschen ohne Story wird impressionistisch ausgekostet. Im Hintergrund glaubt man hin und wieder den Saxophonisten Stan Getz zu hören. Dessen kühle Rhythmen begeisterten den Maler mehr als die Action-Dynamik seines Kollegen Jackson Pollock. //
3. September bis 28. Januar; Raketenstation Hombroich 1; 41472 Neuss; 02182 / 57010; www.langenfoundation.de