Das Publikum des Bochumer Schauspiels ist durchschnitts-älter, als man glaubt, und kann sich daher in der zweiten Vorstellung von »Kleiner Mann – was nun?« sachkundig darüber austauschen, wer damals, als Zadek das »Stück« inszenierte, das Lämmchen spielte: war’s die Hoger? Ja, es war Hannelore Hoger, die neben Rosel Zech oder Brigitte Mira in Tankred Dorsts Dramatisierung des Romans von Hans Fallada die große Ära des Bochumer Schauspiels einläutete. Das war 1972 und David Bösch noch ungeboren. Aus diesen sowie sicherlich anderen guten Gründen hat seine Inszenierung des Stoffs mit der von Peter Zadek vor 40 Jahren wenig zu tun: Dort stand dem kleinbürgerlichen Glücksnestchen des kleinen Manns Hans Pinneberg und seiner Emma, genannt Lämmchen, eine bös-lockende Gangster- und Filmwelt gegenüber – Zadek wollte nicht das Sozialdrama inszenieren, das der Roman von 1932 ist.
Dem Abstieg entkommen
Regisseur Bösch hingegen lässt den privaten Familientraum direkt vom Raubtier Kapitalismus bedroht sein, in Gestalt eines unbarmherzigen »Organisators« (Nicola Mastroberardino), dessen halbnackte Strizzihaftigkeit die Bedrohung indessen alptraumhaft unwirklich macht. Zumal der tapfere Versuch des jungen Paares, dem Abstieg zu entkommen, in einer anthrazitschwarzen Schotter-Arena stattfindet, in deren wenig kuscheliges Rund Emaillebadewanne und Stehlampe geklemmt sind. Und dann schwebt über der Endzeitszenerie auch noch riesig eine Kugel, die gewaltige Mengen Kleinmöbel und Hausrat angesaugt hat: ein Globalisierungs-Erdball, auf dem gierig das kaufmännische Und-Zeichen funkelt (Bühne Thomas Rupert).
Böschs und Sabine Reichs Theaterfassung strafft den Roman kühn – und doch wird die Zeit lang, denn nachdem der Grundkonflikt Glück vs. Kommerz heraus ist, hat Bösch nicht viel mehr zu erzählen. Munter und tapfer spielt Maja Beckmann das muntere und tapfere Lämmchen, lieb Raiko Küster den (hier bloß) lieben Pinneberg. Da entwickelt sich kaum etwas. Zumal die beiden einzigen weiteren Figuren, Pinnebergs halbkriminelle Mutter (Henriette Thimig) und ihr Liebhaber (Mastroberardino), schablonenhaft bleiben. Irgendwie kommt diese ganze Inszenierung so vom Band wie Karsten Riedels untermalende Minisongs.