Das Theater Hagen zeigt eine hochintelligente Inszenierung von Gioacchino Rossinis Oper »La Cenerentola«, der man mehr Publikum wünscht.
Manchmal haben Stücke Konjunktur, und keiner weiß genau, warum. Klar, »La Cenerentola«, uraufgeführt 1817, hat eine bekannte Geschichte – das Märchen von Aschenputtel oder Cinderella. Und die Musik von Gioacchino Rossini ist schwung- und gefühlvoll. Aber dass gerade Neuinszenierungen am Aalto-Musiktheater in Essen, Landestheater Detmold und Theater Hagen zu sehen sind, wirkt schon ungewöhnlich. Zumal in Düsseldorf gerade wieder eine ältere Aufführung gespielt wird und Köln sowie Bonn vor zwei Jahren neue »Cenerentolas« aus der Asche gehoben haben. Das hat schon »Zauberflöten«-Format. Die Hagener Aufführung zeigt zudem: Man kann dem anscheinend allseits beliebten Stück neue Deutungsschichten hinzufügen, ohne die Geschichte zu zerstören.
Auf der Drehbühne von Tassilo Tesche hat zunächst jede Figur ihr eigenes Kästchen. Schilder sind daran gepappt: Prinz, Schwester, Lehrer, natürlich Aschenputtel, als wären die Menschen auf ihre Funktionen reduziert. Damit nimmt die Regisseurin Friederike Blum ein heute etwas unglaubwürdiges Prinzip vieler komischer Opern auf. Leute verkleiden sich und – schwupps – erkennt sie niemand mehr. Wer wie ein Prinz aussieht, wird schon einer sein. Denn warum soll er sonst königliche Kleider tragen?
Unaufdringlich aktuell
Durch das offensichtliche Ausstellen der Rollenzuweisungen bekommt das Spiel mit den Identitäten mehr Tiefe. Zumal Lamia Beuque als Angelina – die »La Cenerentola« genannt wird – von Anfang an nicht wie eine ausgebeutete junge Frau aussieht. Mit ihrem ärmellosen schwarzen Top ist sie eine elegante Erscheinung und könnte auch jederzeit zu einer Kämpferin mutieren. Der Herrenchor des Theaters Hagen ist eine Art Spielleiterbande, baut die Bühne um und bringt die Handlung in Gang.
Das alles ist flott inszeniert, unaufdringlich aktuell und nur selten ein bisschen zu albern. Wobei Regisseurin Friederike Blum die Geschichte höchstens sanft unterwandert und dabei stets nachvollziehbar bleibt. Die Partie der Angelina hat einige schattige und traurige Momente, sie ist keinesfalls bloß ein quirliger Wirbelwind. Man braucht eine Mezzosopranistin, die rasante Koloraturen so virtuos beherrscht, dass sie mit ihnen auch inhaltlich erzählen kann. Eben das kann Lamia Beuque grandios, sie ist das Zentrum eines ausgezeichneten Ensembles. Anton Kuzenok singt den Prinzen mit herrlich schimmerndem Tenor und hellen Höhen. Während Steffen Müller-Gabriel das Philharmonische Orchester Hagen mit großer Präzision und musikalischem Feinsinn durch den Abend leitet.
Schade nur, dass selbst eine Rossini-Inszenierung von hoher Qualität das Theater Hagen nicht mehr füllt. Im Sommer kommt mit Sören Schumacher ein neuer Intendant, der keinen leichten Job antritt. Er muss das gute Niveau halten und gleichzeitig versuchen, eine neue Ansprache für das Hagener Publikum zu finden. Denn auf Dauer lässt sich eine Oper nicht mit Rockshows und Musicals retten, auch wenn die in Hagen immer sehr viel Spaß machen.
8. und 23. Februar, 15. März, Theater Hagen