TEXT: STEFANIE STADEL
Sie ist große Bühnen gewöhnt. 2007 ergatterte Ceal Floyer den Preis der Berliner Nationalgalerie für junge Kunst, zwei Jahre darauf projizierte sie auf der Venedig-Biennale einen Bonsai-Baum in Übergröße an die Wand. Und jüngst stand die schlanke blonde Frau im Blitzgewitter der Documenta 13: Zur Eröffnung kaute sich Floyer dort vor laut verstärkendem Mikro minutenlang ungeniert die Fingernägel ab. »Nail-Biting«, der Titel der Performance, bedeutet im Englischen auch »nervenzerreißend« und sollte wohl auf die Stimmung vor der Eröffnungsrede anspielen.
Nicht umsonst ist Floyer bekannt für ihren treffenden Humor, den Scharfsinn, die auf den ersten Blick so wunderbar leicht zugänglichen Botschaften. Ihre schlichten, ironischen, ungezwungenen Konzeptkunststücke in der Tradition eines René Magritte oder eines Marcel Duchamp funktionieren auch in kleinerem Rahmen. Zur Zeit kann sich der Kölnische Kunstverein mit einem Arrangement aus älteren und neuen Arbeiten schmücken, das die 1968 in Pakistan geborene, seit Jahren in Berlin lebende Britin eigens für diesen Anlass konzipierten hat.
Das zentrale Werk ist zwar schon über zehn Jahre alt, doch scheint es wie gemacht für die große Ausstellungshalle mit ihren bodentiefen Fensterfronten. Floyer ließ sie auf ganzer Fläche verkleben – durch hunderte dunkler Vögel, wie man sie von den verglasten Fassaden öffentlicher Gebäude kennt. Während die schattenhaften Silhouetten dort allerdings nur vereinzelt die Flügel aufspannen, verstellen sie im Kölnischen Kunstverein nun dicht an dicht die Aussicht. Man mag an Hitchcocks Horror-Vögel denken und hinter dem Titel des Werks ein gewitztes Wortspiel erahnen. »Warning Birds« warnt nicht den Vogel vor dem verhängnisvollen Flug gegen die Scheibe, sondern eher wohl uns vor der Bedrohung der schwarzen Schwärme.
Mit ähnlicher Leichtigkeit begegnet die Künstlerin den Sanierungsarbeiten am Dach des Kunstvereins. Pünktlich zur Eröffnung ihrer Kölner Ausstellung wurden dafür einige der großen Fenster in der Galerie verhängt. Statt sich zu ärgern, holte Floyer einen großen schwarzen Plastik-eimer aus ihrem Fundus. Es hört sich ganz so an, als sei er eigens in die Ecke gestellt worden, um dicke Wassertropfen aufzufangen, die durchs kaputte Dach zu Boden fallen. Darauf zumindest lässt jenes laute Ploppen schließen, das aus dem Eimer dringt. Doch mit Blick nach oben ist kein Leck auszumachen, und statt des erwarteten Wassers erblickt man im Eimer einen laufenden CD-Player samt Lautsprecher.
Floyers kleine, feine Spielereien geben im Kölnischen Kunstverein sozusagen einen Vorgeschmack. Es ist die Antrittsvorstellung des neuen Direktors Moritz Wesseler, der erst im Juli die Nachfolge des vorzeitig nach Basel abgewanderten Søren Grammel übernommen hat. Wesseler konnte die Britin nach der Absage einer eingeplanten Ausstellung kurzfristig ins Haus holen und damit einen Volltreffer landen – in der großen Halle, im schwarzen Wassereimer und ebenso im Kinosaal des Kunstvereins. Leise Klänge unbekannter Filmmusik locken dort ins Dunkel. Doch kommen wir immer zu spät: Die Vorstellung scheint am Ende, in Endlosschleife läuft der total unscharfe, absolut unleserliche Abspann von unten nach oben über die Leinwand. Vielleicht waren es ja Hitchcocks »Vögel«
Bis 20. Oktober 2013. Kölnischer Kunstverein. Tel.: 0221/217021. www.koelnischerkunstverein.de