Britta Peters ist Künstlerische Leiterin von Urbane Künste Ruhr, für die sie zuletzt den Emscherkunstweg und die Ausstellung »Ruhr Ding« entwickelt hat. Zudem war sie an der erfolgreichen Bewerbung für die Manifesta beteiligt, die 2026 im Ruhrgebiet stattfindet. 2017 hatte die 1967 geborene Kulturwissenschaftlerin mit Marianne Wagner und Kasper König die Skulptur Projekte Münster 2017 kuratiert.
»Ich glaube, insgesamt gibt es eine Bewegung weg von den großen Künstler-Egos hin zu Projekten, die gesellschaftlich relevanter sind und bei denen die Frage nach der Autorschaft in den Hintergrund gerät. Ich finde, das ist eine gute Entwicklung, denn die Kunst kann zu gesellschaftlichen Fragen viel beitragen. Wenn man sich zum Beispiel die Debatte um postkoloniale Strukturen anschaut, würde ich sagen, dass die Künste geholfen haben, die Relevanz und Dimension des Themas zu vermitteln. Über Kunst und Kultur Dinge begreifbar und erfahrbar zu machen, das sehe ich als große Chance und wünschenswerten Trend in Sachen gemeinsames Lernen. Denn mit dieser Umgewichtung – weg von den Egos hin zu den Inhalten – kommt auch das Publikum noch einmal anders ins Spiel. Oftmals wird es schon jetzt durch Workshop-Situationen eingebunden und kann sich so den Projekten anders annähern und zum Teil sogar Einfluss nehmen. Ich denke, dass diese Entwicklung sich fortsetzen wird, weil es für alle Beteiligten im Idealfall sehr interessant ist, neue Stimmen zu hören, auf eine neue Art und Weise Teil von irgendetwas zu sein. Dabei dürfen natürlich die Mittel, die Medialität und Sinnlichkeit der künstlerischen Auseinandersetzung, nicht aus dem Blick geraten. Ein gelungenes Beispiel bot jüngst in der Liebfrauenkirche in Duisburg die von Urbane Künste Ruhr für die Ruhrtriennale präsentierte Arbeit von Eva Koťátková »My Body is not an Island« – eine große Rauminstallation, die einem Wesen, halb Fisch und halb Mensch, nachempfunden war. Im Inneren des Fischkopfs konnte man sich auf Kissen legen oder setzen und Geschichten lauschen. Hunderte von teilweise traumatischen Erzählungen, die die Künstlerin eingesammelt hat, um sie mit anderen zu teilen. Im Ausstellungsraum gab es eine große Pinnwand und im Duisburger Hafen stand ein Briefkasten, in den man eine eigene Geschichte einwerfen und so Teil des Kunstwerks werden konnte. Solche Projekte können auch unabhängig von den großen Zentren wirksam werden. Natürlich konzentriert sich nach wie vor viel Energie auf Berlin, sogar mehr denn je. Aber es gibt eben auch in anderen Regionen sehr interessante Entwicklungen. Und ich glaube, hierfür sind gerade die neuen Formen der Zusammenarbeit mit den lokalen Publika entscheidend, die Möglichkeiten, zum Beispiel auch in ländlicheren Gebieten Projekte gemeinsam zu denken und aufzusetzen. Denn es wird immer weniger darum gehen, dass man in kleineren Städten Galerien oder Kunstvereine hat, die versuchen, irgendwelche großen Namen an Land zu ziehen. Vielmehr werden Künstler*innen zunehmend in semiurbanen Räumen aktiv werden, wo sie mit Publika vor Ort arbeiten. Bezeichnend für so ein Umdenken scheint auch der Anspruch einer Großveranstaltung wie der Manifesta zu sein, die 2026 im Ruhrgebiet stattfinden wird. Als in den 1990er Jahren überall internationale Biennalen entstanden sind, waren das vor allem große Spektakel, die kamen und kurzzeitig Menschen und Dinge in Bewegung versetzten – und dann wieder verschwanden. Bei der Manifesta ist das anders. Sie hat schon seit Jahren die Frage auf der Agenda: Was bleibt, wenn die Biennale wieder geht? Es ist zu einem zentralen Anliegen dieser Wanderbiennale geworden, die Situation für die Menschen vor Ort nachhaltig zu beeinflussen.«
Aufgezeichnet von Stefanie Stadel