Seit 1957 vergibt die Landesregierung jährlich den Förderpreis des Landes NRW für überdurchschnittliche Begabungen, er »soll jungen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geben, sich künstlerisch weiterzubilden, besondere künstlerische Arbeiten zu verwirklichen und ihr Werk der Öffentlichkeit bekannt zu machen«, wie es in der Satzung heißt. Die Bewerber sollen in der Regel nicht älter als 35 Jahre alt und durch Geburt, Wohnsitz oder künstlerisches Schaffen mit dem Land verbunden sein. Der Preis ist mit je 5.000 Euro dotiert und wird an zwei Personen aus jeder Sparte verliehen. In diesem Jahr sind die Preisträger die Video- Künstlerin Nina Könnemann und der Maler Christian Freudenberger; die Autorinnen Kristina Dunker und Mariana Leky; die Geigerinnen Kathy Kang und Suyoen Kim; die Choreografin In-Jung Jun und die Schauspielerin Constanze Becker; die Dokumentarfilmerin Bettina Braun und der Regisseur Thomas Durchschlag; die Medienkünstler Heike Mutter und das Duo MIOON (Min Kim und Moon Choi). Die Preise werden am 2. Dezember 2005 in Mönchengladbach durch den Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers verliehen; die Preisträger für Architektur – Mark Mückenheim sowie rheinflügel baukunst – werden an dieser Stelle ausführlich vorgestellt. //
Ein Künstlerpreis für Architektur und ihre unterschiedlichen Fachgebiete mutet ungewöhnlich an. Was wird da nach welchen Kriterien prämiert, könnte man fragen: ein neuer Architekturstil oder nicht vielmehr Neues aus der Sparte Kunst am Bau? Die Akteure beider Seiten verhalten sich zueinander doch nicht selten eher als Rivalen denn als Partner. Entsprechend heikel ist manchmal die Begegnung des Statischen mit dem Ephemeren, wie manche Museumsneubauten beweisen, deren funktionale Aufgaben dem künstlerischen Anspruch im Wege steht.
Umso interessanter sind Gratwanderungen, bei denen der künstlerische Blick tatsächlich baulichen Mehrwert hervorbringt.Mit der Architektengruppe rheinflügel baukunst hat die Jury einen Preisträger ausgewählt, der sich mit Projekten vor allem auf dem Feld kultureller Nutzungen – allen voran durch den Umbau der Düsseldorfer Kunsthalle vor drei Jahren – in der kunstnahen Szene bereits einen Namen gemacht hat. Diese Arbeit der Gruppe, allesamt ehemalige Düsseldorfer Akademieschüler, dürfte dazu beigetragen haben, dass der auf den ersten Blick reichlich uncharmante, 1967 im Stil des sogenannten Betonbrutalismus entworfene Monolith am Grabbeplatz in der ästhetischen Beurteilung in den letzten Jahren hinzugewann und das Haus seine Rolle als Gravitationszentrum des aktuellen Kunstgeschehens weiterhin erfolgreich spielt. Die optische Wertschätzung des Baus mag sich der inzwischen erreichten zeitlichen Distanz zur Entstehungszeit verdanken, aus der heraus er heute wie ein geheimnisvoller Bunker wirkt, dessen Fertigteile aus Waschbeton zu der bedeutsamen Geschichte in seinem Inneren einfach dazugehören. Das Architektenteam hatte dem Bau durch ein lichtes, gut gegliedertes Foyer, einen eleganten Treppenaufgang, durch großzügig dimensionierte Ausstellungssäle, einen Neubau der Einbauten, einen glatten mineralischen Esstrich (der den muffigen Teppichboden ersetzte) und eine pointierte Sequenz von Neonröhren eine entschiedene Auffrischung verliehen. Erstaunlich erscheint dabei, wie selbstverständlich diese Modernisierung sich durch die Betonung des Werkstattcharakters dem ruppigen Gesamteindruck des Gebäudes anpasst und doch zusätzlich eine spürbare atmosphärische Spannung erzeugt. Bei der auf der Eingangsebene eingerichteten Hausbar »Salon des Amateurs« hingegen wollte oder konnte man leider auf die provisorische Atmosphäre eines Partykellers nicht verzichten.
Gespannt sein darf man auf die voraussichtlich 2006 anstehende ebenerdige Erweiterung auf der gegenüberliegenden Seite, wo die Kunstbuchhandlung König, die Straßenseite wechselnd, ein neues Domizil erhalten wird.
Die sieben Mitglieder von rheinflügel, deren Gruppenname sich dem parallel zum Rhein gelegenen Flügel der Akademie verdankt, hatten sich 1999 (in der Klasse Lauridz Ortner) zusammengefunden. Seitdem haben sie ein Programm verfolgt, das mit den Schwerpunkten öffentlicher Raum (ihr Konzept für die Neugestaltung des Worringer Platzes in Düsseldorf gilt vielen als heimlicher Siegerentwurf) und vor allem Modernisierung und Umbau im kulturellem und künstlerischen Bereich den Weg zu einem aussichtsreichen beruflichen Feld zu eröffnen scheint. Ihre diversen Ausstellungsarchitekturen, die Neugestaltung des Foyers des Folkwang-Museums zum Beispiel oder die erneuerten Räume der Düsseldorfer Galerie Sies und Höke, demonstrieren, fast schon als Stilmerkmal, einen sparsam-reduzierten und sensiblen Umgang mit dem Bestand. Wohin das noch führt, wird man sehen: Mit dem mobilen Containermuseum für das Kunsthaus Zug ist die Gruppe jedenfalls noch einen Schritt weiter gegangen und hat Architektur zu einer eigenständigen Kunstinstallation im öffentlichen Raum entwickelt.
Der zweite Förderpreisträger, Mark Mückenheim und sein Büro urban environments architekten scheint seinen Aktionsraum eher in unserer von sozialen Problemen gezeichneten Urbanität zu sehen, deren Nischen ermit markanten und vielschichtigen baulichen Akzenten versieht – manchmal mit einer spielerischen Attitude: »Form follows fun« heißt es auf der Homepage. Seine zum Teil in den USA und Großbritannien entstandenen, bislang noch dem Papier bzw. dem Rechner vorbehaltenen Arbeiten bewegen sich zwischen freien, stark konzeptionellen Entwürfen und traditionellen Auftragsarbeiten im Hochbau und in der Innenarchitektur. Nicht zu Unrecht verwenden Juroren in seinem Fall auffallend gerne das Wörtchen »visionär«. Bei Mückenheim (geboren 1970 in Aachen) finden sich unter anderem internationale städtebauliche Projekte (die Transformation eines ehemaligen Güterbahnhofs in Osaka), der Entwurf für die Bibliothek der Humboldt-Universität in Berlin oder eine Reihe von Museumsentwürfen, u.a. für Bremen (Erweiterung der Kunsthalle), Südkorea (Nam June Paik Museum), Kairo (Great Egyptian Museum), die bei durchaus funktionalen Lösungen im Inneren zum Beispiel durch bedruckte Glasfassaden oder über die Fassade gespannte opak-transparente Folien in fast malerisch anmutender Weise vor allem auf intensive, ins urbane Umfeld strahlende Außenwirkung berechnet sind. Die freien Arbeiten hingegen bieten experimentelle Lösungen für unterschiedlichste gesellschaftliche Themenfelder: Eine Postkartenaktion mit dem Titel »Urbane Hybris« versteht sich als selbstironischer Kommentar zur zeitgenössischen Situation des Architekten.
»Urban farming«, ein Projekt in Großbritannien, sucht landwirtschaftliche Produktionsprozesse in innerstädtischen Kontexten bewusst zu machen, und ein Wettbewerbsbeitrag namens »Lebe Wohl-Friedhof« in Stuttgart (2002) will für den Prozess des Abschiednehmens durch eine die Möglichkeiten der Informationstechnologie nutzende »interaktive Installation« (Stelenfelder) eine völlig neuartige Form finden. Architektur wird hier zum Aufhänger für konzeptionell weit ausholende Cross-over-Entwürfe, die eigentlich längerer Erläuterung bedürften. Sonst wird es eher kryptisch: »Der visionäre Entwurf ist vielschichtig angelegt. Der Bestattung in Öl geht der Ganzkörper-Scan des Verstorbenen voraus. Die Bedeutung der Architektur im engeren Sinn tritt in den Hintergrund (…)« – meinten die Juroren seinerzeit. Man mag den nachdenklichen, technisch anspruchsvollen, gelegentlich auch spielerisch anmutenden Ansätzen konzeptionelle Originalität nicht absprechen – beweisen müssen sich die digitalen Ausblicke in die Zukunft der Architekturzunft wohl erst noch.