Wo wollen wir leben? Eine Antwort darauf hat auch mit ihr zu tun: der Kultur. Wenn es beim Hamburgischen WeltWirtschafts Institut (HWWI) wieder einmal Zahlen im Auftrag der Berenberg Bank zu untersuchen gibt, dann geht es nicht nur um Zukunftsthemen wie die Digitalisierung. Auch die Bevölkerungsentwicklung und die Vorlieben der Menschen vor Ort sind ein Thema – nicht zuletzt in Hinblick auf neue Unternehmensstandorte oder den Tourismus.
Beim alle zwei Jahre stattfindenden Kultur-Ranking landen die Kommunen in NRW allerdings regelmäßig auf den hinteren Plätzen, darunter etwa Gelsenkirchen (Platz 28), Wuppertal (Platz 26) oder Bielefeld (Platz 25). Häufiges Schlusslicht – etwa was die Anzahl der Kinositzplätze, der Festivalbesucher, der Galerien und von Unternehmen der Kulturwirtschaft angeht – ist Duisburg. Allerdings investiert die Kommune überdurchschnittlich viel in ihre öffentliche Bibliotheken. Und liegt damit noch vor Düsseldorf oder Münster. Deutschlandweiter Spitzenreiter ist im Gesamt-Ranking wie auch in den Vorjahren Stuttgart – hier ist zum Beispiel das Angebot an Plätzen in Theater- und Opernhäusern je Einwohner rein statistisch gesehen 10,5 mal höher als in Duisburg, das allerdings auch keine Daten zu privaten Theatern liefern konnte. »Vielleicht ist eine schlechte Platzierung daher auch ein Aufruf an die Städte, besser zu evaluieren«, sagt Dörte Nitt-Drießelmann vom HWWI. Damit seien womöglich auch die schlechten Plätze von Dortmund (Platz 27) oder Mönchengladbach (Platz 29) zu erklären.
»Wir bewerten die Kultur nicht qualitativ, sondern nach rein quantitativen Kriterien«, gibt Nitt-Drießelmann zu Bedenken. Zwei große Felder werden mit verschiedenen Unterkriterien untersucht: die Kulturproduktion und die Kulturrezeption. Während sich das erste Ranking 2012 noch überwiegend auf die öffentlich finanzierte Hochkultur beschränkte, habe man heute auch die freie Szene im Blick. Trotzdem bleiben Unschärfen. In Bezug auf Museen etwa wird die Kulturproduktion an der Anzahl der Ausstellungen je 100.000 Einwohnern gemessen. Trotz überregional bedeutender Museen landet Essen nur auf dem viertletzten Platz. Auch, weil das Ruhrmuseum nur selten wechselnde, dafür aber sehr erfolgreiche Ausstellungen bietet. Gerade gerückt wird das dann bei der Anzahl der Museumsbesuche, wo Essen immerhin auf Platz sieben landet. In den zwölf größten Städten von NRW warten insgesamt 200 Museen auf Besucher. An der Spitze steht Köln mit 33, am unteren Ende Gelsenkirchen mit drei Museen. Die beste Platzierung der NRW-Städte im Gesamtranking schafft Bonn mit Rang 6, Düsseldorf kommt auf Platz 7, Köln auf 9. Das insgesamt sehr gute Abschneiden von Berlin (Platz 3), Dresden (Platz 2) und Bonn hängt laut Nitt-Drießelmann vor allem mit den erheblichen Bundesgeldern zusammen, die hierher fließen. Überdeutlich wird das bei den Fördermitteln der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz, wo alle drei Städte mit großem Abstand die ersten drei Plätze besetzen.
Und dann gibt es noch einen Ausreißer in NRW: Bochum konnte sich gegenüber 2016 um vier Plätze auf Rang zwölf verbessern. Das ist auch deshalb interessant, weil sich die Stadt mit dem »Univercity«-Claim und einem neuen Logo, das an ein aufgeschlagenes Buch erinnert, als Wissens- und Kulturstadt zu vermarkten sucht. Offenbar mit Erfolg. Bei der kulturellen Bildung und bei den Festivalbesuchern rangiert es weit vorne. Das kostenlose Pop-Festival »Bochum Total« und die größte öffentliche Musikschule Deutschlands sind hier ausschlaggebend. Da das HWWI eine Standardabweichung berücksichtigt und auffällig abweichende Zahlen höher bewertet, kletterte Bochum auch dank dieser zwei Werte seit 2012 weiter nach vorn – um ganze zehn Plätze.
Die Ergebnisse des Rankings sind abrufbar unter: