Anmutig schraubt sich die Skulptur empor, auf dem Parkplatz neben dem Museum – weiß, glatt, glänzend, sechs Meter hoch. Man denkt an ein Band, einen Film vielleicht, der sich von der Rolle gelöst hat und mit einem Ende gen Himmel tanzt. »Die Wartende« nennt Andreas Schmitten den imposanten Neuling in seinem Schaffen. Drinnen ist der Künstler längst angekommen. Wochen ging er im Kurhaus Kleve ein und aus, um seinen Auftritt vorzubereiten. Genauso sorgfältig, penibel, ruhig und durchdacht, wie er alles macht, sah man ihn die Crew dirigieren, die mit Kran und Riesenkisten zu tun hatte.
Es wurde Zeit für die erste museale Einzelausstellung. Seit Jahren macht Schmitten von sich reden. Kaum hatte er das Studium als Meisterschüler von Georg Herold an der Düsseldorfer Kunstakademie abgeschlossen, wurde der Bildhauer 2013 für die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen aktiv. Mit seinem »Set für das Schmela Haus. Saal und Bar« verwandelt er das Ambiente in eine fantastische Mischung aus Zirkus, Lounge, Varieté und lässt die kühle, minimalistische Beton-Architektur von Aldo van Eyck in neuem, warmen Licht erscheinen. Seither konnte der 1980 in Mönchengladbach geborene Künstler seine Vita mit Preisen bereichern und einige Werke in prominenten Sammlungen platzieren.
In Kleve stattet er nicht aus wie im Schmela-Haus. Er stellt aus. Doch auch hier spielt er mit dem Ort, verwandelt ihn mit Arbeiten, die unbestimmte Erinnerungen wachrufen. Im exklusiven Badhotel etwa, wo einst englischer Adel, russische Prinzessinnen und niederländische Landschaftsmaler logierten, hat Schmitten seine noble »Bürgerwehr« installiert. Eine Art runder, zartrosa bezogener Tisch, auf dem diverse Objekte zusammenfinden. Vor allem sorgsam gefaltete und vernähte Figuren aus Halskrausen, wie sie im 16. und 17. Jahrhundert als Bestandteil der gehobenen Ausgehkleidung getragen wurden.
Durch die im 19. Jahrhundert angelegte Wandelhalle gelangte der edle Gast einst trockenen Fußes zum Kurhaus. Schmitten lässt uns durch ein Arrangement neuer, abstrakt-amorpher Arbeiten wandeln, die – wie schon »Die Wartende« vor der Tür – mit Schwung, Glanz und Glätte ihre Eleganz zur Schau stellen und gleichzeitig an feine Bad-Einrichtungen denken lassen könnten. Explizit wird der sanitäre Hintergedanke beim »Requisit in braun«, wenn Schmitten Marcel Duchamps berühmtes Urinal aufgreift, effektvoll umgestaltet und zwischen von innen erleuchteten Stoffbahnen wie einen Star inszeniert.
Nichts bei Schmitten scheint unbedacht gemacht. Ein Perfektionist, auch bezogen auf die handwerkliche Ausführung seiner Arbeiten, die im großen ländlich gelegenen Wohnatelier am Rande von Gut Selikum bei Neuss entstehen. Diese Akribie hat er bereits in Kindertagen als Modellbauer an den Tag gelegt. Ebenso alt ist seine Liebe zum Kino, die immer wieder in seinen Werken aufscheint, die oft wie Requisiten oder Kulissen zu einer unbekannten Story wirken.
Auch in Bonn lässt Schmitten derzeit seine und unsere Fantasie spielen. Für die dortige Playground-Ausstellung schuf er das Modell einer zerstörten Bundeskunsthalle, die wie eine Ritterburg nach ihrer Schleifung ausschaut. Die Miniatur steht im Foyer und weist den Weg aufs Hallendach, wo er einen 18 Meter langen Fahnenmast mit gewellter Flagge ablegt. Was ist passiert? Sind feindliche Ritter eingefallen? Hat ein Sturm den Mast umgerissen? Oder ist alles am Ende wieder nur perfekt inszeniertes Spiel?
MUSEUM KURHAUS KLEVE
BIS 26. AUGUST 2018
TEL.: 02821 / 75010
BUNDESKUNSTHALLE BONN
BIS 28. OKTOBER 2018
TEL.: 0228 / 91710