Frauen vor, heißt es im Museumsbetrieb des Kunstpalastes. Dort beschäftigt sich derzeit ein großes Forschungsprojekt mit vergessenen Malerinnen, die im 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Düsseldorf tätig waren. Die Erkenntnisse fließen ein in eine Ausstellung, die ab September mit diesem weiblichen Kapitel der Kunstgeschichte bekannt macht.
Über ein großes Geschenk konnte sich die Berliner Nationalgalerie 1888 freuen. Paula Monjé vermachte dem Haus eines ihrer Hauptwerke. Allerdings mit der Auflage, das monumentale Gemälde auch auszustellen. Ein weitsichtiger Winkelzug, der für Sichtbarkeit sorgen sollte, aber nur bedingt zum Erfolg führte. Denn trotz der Abmachung sah man ihr »Deutsches Volksfest im 16. Jahrhundert« in der Nationalgalerie nur vorübergehend. Es erging ihm wenig besser als den Werken so vieler anderer Künstlerinnen, die oft übersehen oder stillschweigend ins Depot verschoben wurden. Selbst zu ihren Lebzeiten recht erfolgreiche Malerinnen, wie die Düsseldorferin Paula Monjé eine war, gerieten so rasch in Vergessenheit.
Seit einigen Jahren schon holt man die Frauen wieder hervor. Sammelt, untersucht und präsentiert ihr Schaffen, um die Kunstgeschichte endlich zu komplettieren. Auch der Kunstpalast forscht und kauft nach Kräften. Es gibt einiges zu tun – etwa im Sammlungsschwerpunkt der im 19. Jahrhundert aktiven Düsseldorfer Malerschule, betreut von Sammlungsleiterin Kathrin DuBois. 2020 noch stammten unter den rund tausend Gemälden in diesem Bereich gerade einmal acht von Frauen, so rechnet sie vor. Mittlerweile konnte man diese klägliche Zahl immerhin mehr als verdoppeln. Unter den jüngeren Erwerbungen ist etwa Monjés versonnen aus dem Fenster schauende »Frau in altdeutschem Kostüm« von 1878. Solche Stücke seien, so DuBois, noch recht günstig zu haben.

Die Anstrengungen werden untermauert von einem großen Forschungsprojekt, in dem DuBois, unterstützt von Volontärin Nina Köppert, bereits seit ein paar Jahren die hiesige Szene im 19. Jahrhundert erkundet. Es gab sogar schon eine öffentliche Fahndung: »Gesucht: In Düsseldorf tätige Künstlerinnen«, hieß es da. Dank kunsthistorischer Detektivarbeit, auch in Archiven und Auktionskatalogen, konnten die beiden Wissenschaftlerinnen mittlerweile um die 480 Künstlerinnen ermitteln – wie lebten sie hier, unter welchen Bedingungen haben sie gearbeitet, wie und wo fanden sie Möglichkeiten auszustellen? All das gilt es zu herauszufinden.
Die Erkenntnisse fließen auch in eine Ausstellung ein, die ab September gut 30 ausgewählte Künstlerinnen präsentiert. Das Modell der Säle im Kunstpalast steht bereits im Büro am Ehrenhof, vollgehängt mit winzigen Werkabbildungen. Auch Paula Monjés »Volksfest« aus der Berliner Nationalgalerie wird anreisen. DuBois spannt den Bogen von »Monjé bis Münter«. Wobei letztere nur ein halbes Jahr zum Studium in Düsseldorf Halt gemacht und es danach weit gebracht hat. Ihre meist älteren Kolleginnen sind dagegen kaum mehr bekannt. Vieles, was DuBois zeigen will, findet sich denn auch in Privatsammlungen, manches in Stadt- oder Heimatmuseen, wenige Werke sind bis heute in den großen Kunstmuseen zu finden.
Der zeitliche Rahmen des Projekts reicht von den 1830ern bis ins Jahr 1919, als die deutschen Kunstakademien sich endlich für Frauen öffneten. Vorher mussten sie draußen bleiben und nach alternativen Ausbildungswegen suchen. Dabei boten sich unzählige private Schulen an, die rund um die öffentlichen Akademien ihrem lukrativen Geschäft nachgingen – in Berlin, Dresden, Karlsruhe, München. Auch nach Düsseldorf zog es viele Künstlerinnen. »Natürlich war es mein sehnlichster Wunsch, dorthin zu gehen«, erinnerte sich etwa Adeline Jaeger. Auch sie besuchte eine jener Damenklassen, wo Aktzeichnen ausgeschlossen war. In aller Regel wurden die jungen Frauen hier von Männern unterwiesen und bezahlten dafür mindestens das Dreifache dessen, was die Studenten an der staatlich geförderten Akademie aufbringen mussten.
»Welch ein jugendlich fröhliches und begeistertes Leben entwickelte sich da oft in meinen Damenateliers«, so freute sich Willy Spatz, der in der Blütezeit um die 30 Schülerinnen unterrichtete, darunter auch Gabriele Münter. Aus vielen dieser Frauen sei etwas geworden, bemerkt Spatz. Womit er aber nicht etwa erfolgreiche Künstlerinnen meinte, sondern »Ehefrauen und Hausfrauen«, deren »jugendliche, künstlerische Ausstrahlung sich in matronenhafte Würde verwandelt hatte«.
Wohlwissend, dass Ehe und Familie die Künstlerinnenkarriere nicht unbedingt befördert, blieben nicht wenige ledig und suchten oft reisend nach Anregungen, die der private Unterricht eines einzigen Lehrers nur bedingt bieten konnte. Auf nach Amsterdam, Paris, Rom, Florenz Sankt Petersburg… – oft ohne männliche Begleitung, was seinerzeit nicht gerade üblich war.
Malerin und Kämpferin
Umtriebig gab sich etwa Amalie Bensinger, die nach dem Studium in Düsseldorf durch Italien tourte und in Rom die Nazarener traf. Seither hegte sie den Traum, nach deren Muster eine klösterliche Gemeinschaft für Künstlerinnen zu gründen. Oder auch Paula Monjé, die in Russland, aber auch in Frankreich unterwegs war. Statt die Innovationen der dort angesagten Freilichtmalerei aufzugreifen, hielt sie sich allerdings lieber an die Flamen des 17. Jahrhunderts. Viel progressiver zeigte sich Monjé jedoch, wenn es darum ging, für Frauenrechte und die Öffnung der Akademien zu kämpfen.
Trotz der ungünstigen Bedingungen machten sie ihren Weg. Es waren Künstlerinnen, die Netzwerke knüpften, die überall in Deutschland Möglichkeiten fanden, auszustellen und ihr eigenes Auskommen hatten. So auch Emilie Preyer, die dem Vorbild des erfolgreichen Vaters folgte. Ihre kleinen, akkuraten, ungeheuer fein gemalten Stillleben erzielen bis heute weltweit ansehnliche Preise. Viele von Preyers Arbeiten findet sich mittlerweile in US-amerikanischen Privatsammlungen. In Düsseldorf hat die Malerin aber inzwischen auch einen festen Platz, der sich ganz in der Nähe des Kunstpalasts befindet und seit einigen Jahren den Namen der Malerin trägt.
Bei ihren Recherchen in den Künstlerinnenkreisen des 19. Jahrhunderts interessiert DuBois besonders, welche Strategien die Frauen entwickelt haben, um in ihrem Rahmen Karriere zu machen. Eine der einfallsreichsten und effektivsten auf diesem Gebiet war sicher Elisabeth Jerichau-Baumann – erstaunliche Künstlerin, Ehefrau, Mutter von neun Kindern und internationales Vermarktungsgenie in einem. Sie lebte und lernte in Berlin, Düsseldorf, Rom, zog dann mit ihrem dänischen Ehemann nach Kopenhagen. Hielt den Kontakt zur deutschen Kunstszene, stellte aber auch in Paris oder Rom aus und feierte große Erfolge auf dem Kunstmarkt in London. Damit nicht genug. Im Gefolge des Orientalismus in der Malerei bereiste Jerichau-Baumann wiederholt Konstantinopel, wo sie die Oberschicht porträtierte und Zugang zum Harem des Sultans erhielt. Auch Ägypten zählte zu ihren Zielen – hier fasste sie etwa Töpferinnen und hart arbeitende Bäuerinnen ins Bild.
Exotin in Männerdomäne
Peter Cornelius hatte Jerichau-Bauman einmal als »den einzigen Mann der Düsseldorfer Malerschule« bezeichnet. Ein größeres Kompliment hätte der damalige Akademie-Direktor einer Künstlerin kaum machen können. Denn es bestand seinerzeit kaum Zweifel daran, dass Männer die besseren Maler seien. Erst recht die besseren, wenn nicht die einzig befähigten, Bildhauer. Als weibliche Exotin in der männlich bestimmten Kunstgattung konnte sich Milly Steger behaupten – sie wird als einzige Bildhauerin in DuBois‘ Ausstellung einziehen. Denn auch die expressionistische Avantgardistin und spätere NS-Mitläuferin hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Düsseldorf studiert – privat bei Karl Janssen, der etwa zur gleichen Zeit als Professor an der Akademie auch Wilhelm Lehmbruck unterrichtete.
Nach dem Studium eroberte Steger mit Jackett, Krawatte und Kurzhaarfrisur die Männerdomäne. Von Karl Ernst Osthaus zur ersten Stadtbildhauerin Deutschlands in Hagen ernannt, erhielt sie sogar Aufträge für Kunst am Bau. Und löste 1911 mit vier nackten Frauenfiguren für die Fassade des neuen Hagener Stadttheaters eine Welle der Empörung aus. »Genitale Aufdringlichkeit«, »scheußliche Verunzierung« so schimpfte die Presse. Ohne Erfolg. Die vier überlebensgroßen Skulpturen stehen noch heute auf dem Sims über den Theatertüren. Sie haben gesiegt im Kampf um Sichtbarkeit. Anders als all die gemalten Werke in den Depots und Privatsammlungen.
»Künstlerinnen! Von Monjé bis Münter«
Kunstpalast, Düsseldorf
25. September bis 1. Februar 2026