Posaunenstoßseufzer und zuckende Flöten, wie an einem Haken baumelnde Eisentonfäden und Streicher-Flageoletts als Drahtseilakt – fast zwei Stunden lang geht das so in Salvatore Sciarrinos Oper. »Macbeth« versetzen sie in eine gefährlich gespenstische Trägheit, aus der es anscheinend nur einen Fluchtweg gibt: Mord und Totschlag, die aber nicht bloß der Machtabsicherung dienen. Das Verbrechen ist Ritual. Macbeth und seine Lady, das von bösen Geistern getriebene Paar. So hat der italienische Komponist Shakespeares Drama gedeutet, als er 2002 für die Schwetzinger Festspiele sein Musiktheater in »drei namenlosen Akten« komponierte. »La bête humaine« ist wiederholt Thema Sciarrinos, der sich bereits vom Renaissance-Komponisten Gesualdo und dessen Eifersuchtsmetzeleien zur Oper »Luci mie traditrici « animieren ließ. An den Wuppertaler Bühnen war das Werk vor vier Jahren zu erleben.
Jetzt folgte »Macbeth« in der Regie von Thomas Dreißigacker, dessen schmucklos-schwarzer Bühnenentwurf klaustrophobische Enge suggeriert. In der bedrängenden Kargheit steht Ekkehard Abele als Usurpator des Reichs und Königsmörder. Seine bodenlange Uniform wirkt wie ein Korsett. Laute dringen aus ihm, als stieße er sie von sich ab wie lästige Gliedmaßen. Sein Inneres ist so schwarz gefärbt wie seine Hände blutrot sind. Sciarrino hat eine Psychologie der Klänge geschaffen, zugleich filigran, komplex und kompliziert. Das gesamte Sängerensemble sowie das Wuppertaler Sinfonieorchester unter Evan Christ beherrschen die Tonschockzustände so souverän, als hätten sie bisher nichts anderes gemacht. Umso bedauerlicher, dass nach nur einer Handvoll Aufführungen dieses großartige Musiktheater keine Chance mehr in der nächsten Spielzeit bekommen soll. GFI