TEXT: STEFANIE STADEL
Keine tollen Effekte, keine spektakulären Licht-Spielerein. Im alten Gewölbe ist alles düster und leer. Nichts als ein dunkler Ledersessel steht da, über der Lehne hängt ein kabelloses Headset. Nur wer Platz nimmt und die Apparatur anlegt, wird »Erleuchtung« erleben. So nennt Dirk Vollenbroich sein auf Interaktion angelegtes Kunststück: Per Ohrclip und Stirnpunkt gemessene Hirnströme bringen da Licht ins Dunkel. Rotes, gelbes, grünes, blaues – die Farbe verändert sich mit dem Grad der Entspannung: Je relaxter der Proband, desto mehr nähert sich der Ton dem Ultraviolett an. Sollte es einem tatsächlich gelingen, mit der Klammer um den Kopf völlig abzuschalten, wird man ihn sehen. Jenen Sternenhimmel, der an die gegenüberliegende Stirnwand des langgestreckten Kellers getupft ist. Vollenbroich hat dafür eine weiße Emulsion benutzt, die nur bei UV-Licht sichtbar wird.
An diesem Mittag in Unna geht der Entspannungs-Versuch allerdings schief. Wie wild wechselnde Farben lassen bald die Hoffnung auf absolute Ruhe und den verheißenen Sternenhimmel schwinden. Vielleicht ist ja auch die Neugier einfach zu groß: Welche Lichtkunst-Überraschungen warten wohl noch in den uralten Gewölben der ehemaligen Lindenbrauerei? Dort, wo seit mehr als zehn Jahren das »Zentrum für Internationale Lichtkunst« haust und wo in diesen Monaten die drei Besten im ersten »International Light Art Award« (ILAA 2015) aktuelle Kostproben einer Kunst geben, der die rasant wachsenden technischen Möglichkeiten fortwährend neue Mittel an die Hand geben.
Vollenbroich ist mit seiner Entspannungs-übung auf Platz drei des vom Lichtkunstzentrum und der RWE Stiftung initiierten Wettbewerbs gelandet. Den zweiten Rang unter 29 Bewerbern belegt Iván Navarro, der in Unna eine Art Riesen-Mobile aus fünf Ampelpaaren US-amerikanischer Machart unter die Decke hängt. Abwechselnd lassen sie die rauen unverputzten Wände rot, gelb, grün erstrahlen. Ein schönes Spiel, das durch einen sanften Schubs noch an beschwingtem Reiz gewinnt. Neben der ästhetischen Wirkung hatte der in New York lebenden Chilene aber auch die Symbolkraft der Verkehrslichter im Auge. »Es interessiert mich, wie Ampeln verschiedene Farben benutzen, um das soziale Verhalten zu bestimmen«, so Navarro.
Im neuen Kontext gehe ihnen diese ordnungsstiftende Funktion völlig verloren.
Hier wie überall in den alten Gemäuern des Lichtkunstzentrums spielt das Ambiente eine tragende Rolle. Sehr deutlich wird der Bezug zum besonderen Raum im Werk der beiden Wahl-Kölner Andreas Muxel und Martin Hesselmeier, die als Künstlerduo das Rennen gemacht haben. In hohen Bögen durchmessen ihre meterlangen Lichtbänder den schmalen Lagerkeller: Auf und ab und auf und ab von einem Ende zum anderen. Darauf sieht man Lichtpunkte sausen – wie Murmeln auf einer Murmelbahn rasen sie vom hoch oben gelegenen Starpunkt hinab in die Kuhle. Manchmal haben sie genug Schwung, um es bis auf die nächste Anhöhe zu schaffen. Mitunter müssen die Pünktchen sich aber auch erst hochschaukeln. Ein irritierendes Spiel: Unter dem Titel »The Weight of Light« suggeriert es, dass auch Licht der Schwerkraft zu gehorchen hat.
Entspannend wirkt das nicht. Viel eher lässt diese kleine Schau die Spannung steigen auf das, was da noch so alles strahlt, blinkt, leuchtet in den unterirdischen Gängen und Gewölben der alten Brauerei. Die mit Künstlergrößen wie Mischa Kuball, Olafur Eliasson oder James Turrell besetzte Dauerausstellung des Lichtkunstzentrums kann sich sehen lassen – und sie hätte mehr Beachtung verdient.
Bis 28. Juni 2015, Zentrum für Internationale Lichtkunst, Unna, Tel.: 02303 / 103751