TEXT: REGINE MÜLLER
Die Oper, die Ludger Vollmer geschrieben hat, gab es eigentlich bereits. Tom Tykwer hat die Geschwind-Tour seiner roten Lola (Franka Potente) durch die Straßen von Berlin so musikalisch geschnitten, so gut getimt und rhythmisiert und den Lauf der unermüdlichen Heldin dabei mit einem rastlos vorwärts preschenden Soundtrack versehen, dass man den Film problemlos als eigenwillige, aber durch und durch stimmige Form von Musiktheater rubrizieren könnte. Dreimal rennt Lola um das Leben ihres geliebten Manni, dreimal spielt im Vorübergehen der Zufall mit (und Tykwer dreht die Momentaufnahmen weiter, bis sie Miniaturen und Variationen der Zukunft ergeben); zweimal scheitert Lola und zwingt das Schicksal, ihr eine neue Chance zu geben, dann endlich klappt es: beim Roulette gewinnt sie jene 100.000 Mark, mit denen Manni in letzter Sekunde seinen Kopf aus der Schlinge zieht.
Das alles also gab es schon. Vollmer hat dennoch »Lola rennt« neu aufgelegt – als Oper, so wie sich Oper für ihn wohl noch immer gehört: mit gesungener Handlung, mit Solisten auf einer Bühne, mit Chor und Orchester. Vollmers Idee für »Lola« ist der Widerstreit zweier Grundgefühle. Einmal das Gefühl, von einer wahnsinnigen Welt so getaktet zu werden, dass einem jederzeit die Puste ausgehen könnte. Dann das Gefühl, dass Liebe sich über alles hinweg setzen kann, sogar über die Zeit. Daraus hätte man tatsächlich etwas Neues und Eigenes machen können. Doch statt wie Lola mutig loszurennen, trödelt Vollmer halbherzig durch ein Potpourri von Versatzstücken, bedient sich bei Mozart, Rossini, bei Lloyd Webber und sehr ausgiebig bei Philip Glass und fährt, wenn es existentiell werden soll, einen antikisierenden Hollywood-Bombast auf, als käme statt Lola gleich Kleopatra um die Ecke. So sehr sich das Hagener Theater auch ins Zeug legt für diese Uraufführung, so gut das von David Marlow geleitete Ensemble auch agiert, am Ende des Abends fragt man sich vor allem, warum man dem so lahmen wie albernen Stück, das 2013 in Regensburg uraufgeführt wurde, noch eine zweite Chance geben musste Auch Regisseur Roman Hovenbitzer kann der »Lola« keine Beine machen.