Sie sind Sprachforscher – was tun Sie genau?
PETER HONNEN: Alles Möchliche, wie man im Rheinland sagt: Wir dokumentieren und erforschen die alten Dialekte genau so wie die aktuelle regionale Umgangssprache. Damit können wir auch den Sprachwandel beobachten: Kaum jemand spricht noch Mundart, und Jugendliche kennen sogar so typisch rheinische Wörter wie Klüngel, Köpper oder strunzen nicht mehr (das macht, um der Frage vorzugreifen, die Kommunikation zwischen Älteren und Jüngeren nicht eben leichter). Daneben betreiben wir Etymologie, also erklären die Herkunft von Wörtern, Orts- oder Familiennamen und erforschen Sondersprachen wie Handwerkersprachen, die Reste des Jiddischen im Rheinland oder alte Sprachinseln.
Welche Rolle spielt Sprache in Ihrem Job?
HONNEN: Es geht bei meiner Arbeit ausschließlich um die Sprache – allerdings nur um die im Alltag gesprochene Sprache. Mit der Literatur- oder Hochsprache haben wir nichts am Hut.
Was bedeutet für Sie gute Kommunikation?
HONNEN: Als Alltagssprachenforscher würde ich sagen: Die Kommunikation klappt dann besonders gut, wenn sich die Gesprächspartner einer gemeinsamen, der Situation angemessenen Sprachlage bedienen. Jemand, der nur gestochenes Hochdeutsch spricht, wird sich in einer informellen Gesprächssituation schwer tun. Umgekehrt dürfte man in breitem Regiolekt kein Vorstellungsgespräch erfolgreich bestehen (Es sei denn, man heißt Calmund). Wichtig ist also, dass man über mehrere Sprachlagen verfügt und sie entsprechend situativ einsetzt. Dann klappt die Kommunikation.
Fällt Ihnen dazu auch ein Beispiel aus der Geschichte ein?
HONNEN: Ein sprechendes(!) und zugegeben extremes: Ich habe auch die letzten Rotwelschdialekte im Rheinland erforscht und dokumentiert, also die alten Gauner- und Geheimsprachen. Die Sprecher und Sprecherinnen waren Vaganten und Wandergewerbetreibende wie Hausierer, also gesellschaftliche Außenseiter. Für sie war die Kommunikation in ihrer Geheimsprache tatsächlich überlebenswichtig. Ihre Sprache war für sie so etwas wie ein Ausweis, ein Erkennungszeichen – wer Rotwelsch sprach, war ein Eingeweihter, ein Freund, dem man in einer feindlichen Umwelt vertrauen durfte. Außerdem konnte man durch die Sprache andere (die Polizei z.B.) von der Kommunikation ausschließen. Noch heute erzählen die wenigen Rotwelschsprecher, die es noch gibt, dass sie wie elektrisiert sind, wenn sie irgendwo in einem Gespräch alte Geheimsprachenwörter aufschnappen.
Und woran scheitert Kommunikation am häufigsten?
HONNEN: Man sagt ja: Die beiden sprechen nicht dieselbe Sprache. In unserem Fall bedeutet das: Die beiden benutzen nicht die gleiche Sprachlage. Wenn jemand nicht angemessen auf eine sprachliche Situation reagieren kann, klappt die Kommunikation nicht. Wer will schon auf einer Party mit jemandem reden, der sich anhört wie ein Tagesschausprecher.
Peter Honnen, 1954 in Rheinhausen geboren, hat Sprachwissenschaften und Geschichte in Bonn studiert und ist als Dialekt- und Sprachforscher am LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn auf das Rheinländische spezialisiert.