Im Bücherpodcast »Kopje koffie« sprechen Bettina Baltschev und Katharina Borchardt mit niederländischen und flämischen Autor*innen. Die Atmosphäre: entspannt, eben genau wie die Einladung auf eine Tasse Kaffee. Mit inzwischen fast 30 Episoden richtet sich das überregionale Literaturformat an deutschsprachige Hörer.
»Mein Name ist Katharina Borchardt und ich sitze heute in Leipzig, selbstverständlich bei einer Tasse Kaffee, mit dem niederländischen Autor Toine Heijmans.« Der Einstieg in Episode 19 des Podcasts ist exemplarisch für das erfrischend pragmatische Setting, das die etwa 30-minütigen Folgen von »Kopje koffie« ausmacht: Es geht um persönliche Gespräche bei einem Heißgetränk. Jenseits nüchterner Aufnahmestudios. Ein improvisiertes Stativ fügt sich da hervorragend ein: Als etwa Katharina Borchardt mit der niederländischen Autorin Lisa Weeda Episode 16 aufnimmt, stehen die Mikrofone auf Bücherstapeln. Aufgenommen werden die Folgen in Verlagen, Botschaftsräumen und Hotelzimmern – aber egal wo, das Tassenklappern gehört zum Audio.
Schon in Episode 1 im Juli 2021 galt die erste Frage den Kaffeegewohnheiten des Gastes (Arnon Grünberg: »Zwei Espressi morgens, gern auch nach dem Abendessen«). Gesprächsanlass ist aber natürlich vor allem je eine aus dem Niederländischen übersetzte Belletristik-Neuerscheinung. Darüber hinaus geht um das Schreiben der Autor*innen und ihre Inspirationsquellen, eingesprochene Lesungsteile runden die Episoden ab.
Streams in 68 Ländern
Bettina Baltschev und Katharina Borchardt moderieren den Podcast im Wechsel. Beide sind sonst unter anderem als Literaturredakteurinnen tätig, Baltschev gehörte auch zum Kuratorinnen-Team des Gastlandauftritts der Niederlande und Flanderns auf der Leipziger Buchmesse 2024. Das »Kopje koffie«-Produktionsteam besteht zudem aus Celia Solf und Alexander Flöth von der Agentur Artefakt Kulturkonzepte sowie Katrin Konst von der Niederländischen Botschaft in Berlin, auf deren Initiative der Podcast zurückgeht.
Entstanden ist die Idee während der Pandemie, als andere Gesprächsformate wegfielen. Der digitale Plan B ist ziemlich erfolgreich: 18.000 Downloads und Streams in 68 Ländern verzeichnet »Kopje koffie« inzwischen. Und immer wieder gibt es persönliches Feedback, etwa von Buchhändler*innen, die ihn hören, um sich über Neuerscheinungen zu informieren. »Von Veranstaltern literarischer Festivals oder Lesungen hören wir ebenfalls, dass sie sich durch den Podcast bei der Programmplanung einen ersten Eindruck verschaffen, ob ein Autor Deutsch spricht und wie er oder sie im Gespräch auf einem Podium wirken würde«, sagt Katharina Borchardt. Zudem sei er bei Studierenden Thema, die ihn innerhalb eines Seminars für Angewandte Literatur/Gegenwartsliteratur der FU Berlin hören und besprechen.
Beide Moderatorinnen sprechen Niederländisch und verstehen die flämische Variante sehr gut, das Format lebt auch vom mühelosen Sprachwechsel: »Autorinnen und Autoren, die nicht so gut Deutsch sprechen, können das Gespräch auf Niederländisch führen, was ihnen sehr entgegenkommt, weil sie in ihrer Muttersprache oft mehr und tiefgründiger erzählen können«, sagt Katharina Borchardt. Das Original-Audio wird dann mit einer Übersetzung überlegt. Eine sehr gelungene Mischung, die das Niederländische nicht ausblendet und dennoch für das deutschsprachige Publikum zugänglich ist.
»Kopje koffie« zeigt, dass die Regionen viel verbindet. Dennoch kommen die Moderatorinnen auch auf sprachliche und kulturelle Unterschiede des Niederländischen und Flämischen zu sprechen. Zudem thematisieren sie Merkmale von Original und Übersetzung, etwa verschiedene Buchtitel im Niederländischen und Deutschen. Auch spannend: In Episode 29 berichtet die in den Niederlanden lebende Autorin Astrid H. Roemer aus Suriname über die erneute Lektüre ihres 1979 erschienenen Erstlingswerks, weil es just vom deutschen Publikum entdeckt wird. Die Zeitlosigkeit von Erzählungen trifft hier auf die Aktualität eines Podcast-Formats: »Das Gespräch mit den Autoren ist ja zeit- und ortsunabhängig verfügbar«, sagt Katharina Borchardt. »Als Leser kann ich in Regionen oder Ländern, in denen mein Lieblingsautor gerade nicht auf Lesereise vorbeikommt, trotzdem ein persönliches Gespräch zum neuen Buch hören.«
Dennoch gibt es Einschränkungen für die Produktion: Zunächst kommen für ein Gespräch nur zeitgenössische Autoren in Frage und, angesichts des Zielpublikums, nur Titel, deren Lizenzen deutsche Verlage erworben haben. Im Rahmen dieser Möglichkeiten setzt das Team auf eine ausgewogene Auswahl von Gästen in Bezug auf Alter, Gender, postkoloniale Stimmen und repräsentierte Verlage. Mit anderen Worten: Es gibt viele Facetten zu entdecken. Bei der nächsten eigenen Tasse Kaffee.
Alle Episoden gibt es unter kopje-koffie.podigee.io