Gleich nach dem Studium in Münster haben Finn Blankenberg, Nick Potter und Esra Heuermann 2022 mit einigem Idealismus ihr eigenes Design-Studio formagora gegründet. In einer Nische, die sich hierzulande nur langsam füllt. Ihr Spezialgebiet: social design und transformative Prozesse.
Ein schönes Utensil, handmade und nützlich dazu. An die »Äste« des »Mehrwegbeutelbaums« kann man seine Sachen hängen: Jacken, Taschen, Hosen. Vor allem aber ist der Ständer, wie sein Name schon sagt, für Beutel gebaut. Das Design stammt vom Studio formagora. Hinter dem klangvollen Namen stecken Finn Blankenberg, Nick Potter und Esra Heuermann, drei junge Gestalter aus Münster, für die das schöne und nützliche Produkt allerdings nicht alles ist. Mindestens ebenso wichtig sind Materialien und Fertigungsprozesse. Der Baum etwa ist hervorgegangen aus einer Kooperation mit den Abfallwirtschaftsbetrieben Münster und komplett aus Altholz gezimmert. Dabei haben die Designer nicht allein gebaut, sondern die Besucher auf dem »Markt der Möglichkeiten« in Münster zum gemeinschaftlichen Sägen und Schrauben angeleitet. Die Ergebnisse der Aktion wurden in Supermärkten aufgestellt, als Sammelstelle für gebrauchte Einkaufsbeutel, die sich ausleihen kann, wer keine eigene Tasche dabei hat.
Diese Mehrwegbeutelbäume sind sozusagen Musterbeispiele für social design – das Spezialgebiet des Trios, dessen Talente damit weit über das Gestalterische hinaus ins Soziale, Pädagogische, Organisatorische hineinreichen müssen. Gelernte Tischler sind sie alle drei – und als Handwerker überzeugt vom Wert dieser besonderen Erfahrung, etwas gemeinsam und mit den eigenen Händen zu schaffen, einen Ort zu verändern. Wichtig ist für formagora dabei immer auch die Frage, wie Designer ihre Arbeit neu denken und damit den Weg in eine Postwachstumsgesellschaft begleiten können.
»Für uns beginnt Gestaltung da, wo ein Miteinander die Zukunft formt.«
Studio formagora
Schon während des Studiums an der Akademie für Gestaltung in Münster haben sie gemeinsam an entsprechenden Projekten gearbeitet. 2021 etwa, als sie für die während Corona gerne genutzten Grünflächen um die Heilig-Geist-Kirche zusammen mit Anwohner*innen eine kleine Möbelkollektion planten und fertigten. »Für uns beginnt Gestaltung da, wo ein Miteinander die Zukunft formt«, mit dieser Prämisse machten die drei sich schon im Jahr darauf selbständig mit ihrem Studio für social design und transformative Prozesse. Eine in Deutschland eher ungewöhnliche Entscheidung, meint auch Nick Potter: »In anderen Ländern wie etwa den Niederlanden ist diese Richtung schon sehr viel stärker verbreitet und auch in der Förderlandschaft verankert.«
Mit Einsatz funktioniert es aber offenbar auch unter den hiesigen Bedingungen, wie ein Blick ins Portfolio der Jungdesigner beweist: der Friedenstisch-Workshop , eine Schatzsuche im Sperrmüll, die gemeinschaftliche Gestaltung von Schulhofmöbeln… Da kommt schon einiges zusammen. Aktuell hat formagora viel zu tun mit dem Innenausbau des Kulturvereins B-Side am Mittelhafen in Münster. Ganz wichtig ist es den dreien dabei, Ideen gemeinsam mit den Nutzer*innen zu entwickeln, weil die ihre eigenen Bedürfnisse viel besser kennten und auf mögliche Probleme hinweisen könnten.
Kommunikation nutzt den drei Designern auch bei der Materialbeschaffung – die Koop mit der Abfallwirtschaft wurde mittlerweile zur festen Einrichtung. Einmal pro Woche dürfen sie mit ihrem Lieferwagen vorfahren und sich aus den Sperrmüllbergen bedienen. Und weil sich ihre Arbeitsweise mittlerweile herumgesprochen hat, melden sich auch immer häufiger Menschen, die mit Materialspenden helfen wollen. »Zuletzt wurde uns ein Turnhallenboden angeboten – tolles Material«, schwärmt Nick Potter. Und denkt schon an das neue Leben des Bodens als Bühne im B-Side. Die alten Spielfeldlinien auf den Dielen könnten hier sicher interessante Akzente setzen.
Und was schwebt formagora sonst noch vor für die Zukunft? Das weiß Potter genau: »Wie sieht eine Gestaltung aus, wenn wir keine Ressourcen importieren, wenn alle Beteiligten des Prozesses fair bezahlt und behandelt werden? Wie sieht die Gestaltung aus, wenn alle mitbestimmen dürfen? Das sind Fragen, die uns sicher auch weiter intensiv beschäftigen werden.«
Name: Finn Blankenberg, Nick Potter und Esra Heuermann
(zusammen Studio formagora)
Alter: 27, 29 und 32 Jahre
Wohnort: Münster
Aktuelles Projekt: Innenausbau des Kulturvereins B-Side am Mittelhafen in Münster u.a.