»Ich träume davon, dass die Literatur den Weg in das 21. Jahrhundert schafft. Dass sie sich nicht länger abgrenzt und als die erlesenste Kunst unter allen Künsten gelten will, sondern sich mit den anderen Künsten verbindet. Dass sie sich wieder und weiter bewusst wird, dass sie mit anderen Künsten zusammenhängt. Dass sie Kraft dadurch gewinnen kann, wenn sie sich öffnet – zum Tanz, zur Performance, zum Film. Und dass sie sich klar wird, dass sie in einem bestimmten Raum stattfindet, und nicht irgendwo. Das versuchen wir hier im Center for Literature auf der Burg Hülshoff. Mit der klassischen Wasserglas-Lesung ist es nicht getan. Wir brauchen stattdessen höchst unterschiedliche Formate, weil sich die Gesellschaft immer weiter ausdifferenziert und wir Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen für Literatur begeistern wollen.
Weil wir diese wahnsinnigen historischen Burgkulissen haben, die größer sind als jede Opernbühne, wollen wir diese Räume nutzen und mit Literatur füllen. Dafür brauchen wir eben diese anderen Künste; mit Musik lässt sich so ein Raum ganz anders bespielen als nur mit dem gesprochenen Wort. Das ist genau das, was ich mit meinem Team seit einem Jahr hier mache – solche Projekte zu entwerfen und Menschen zusammenzubringen. Die Not bei uns ist, dass wir momentan keinen großen, multifunktionalen Saal haben, weil wir vor dem Umbau stehen, der im kommenden Jahr beginnt. Aber das machen wir zur Tugend: Da ich von der ortsspezifischen Kunst, den Performance- und Theaterbühnen, komme, habe ich bereits in vielen Konstellationen darüber nachgedacht, was das Arbeiten mit Räumen eigentlich bedeutet. Das kommt uns nun bei der Konzeption, wie wir konkrete Themen an konkreten Stellen auf dem Gelände verarbeiten können, entgegen. Bei den traditionellen Literaturhäusern ist es meist so, dass deren Räume zwar multifunktional sein sollten, aber dennoch nur in eine Richtung benutzt werden. Wir können das hier gar nicht, selbst wenn wir wollten. Insofern müssten wir sowieso etwas anderes machen. Und dann machen wir es auch.«
Bei der literarischen Denkfabrik „Gefühl & Politik“ verhandeln Künstler*innen aus Literatur, Musik, Film und Theater, aber auch Forscher*innen Begriffe wie Wut, Scham, Trauer und Ohnmacht. Geplant sind Live-Lectures, Diskussionsrunden, Performances und Konzerte. In die Diskussionen können sich die Zuschauenden per Chat einbringen und Fragen stellen. Das gesamte Event wird auf der Website aufzurufen sein: http://www.burg-huelshoff.de
Jörg Albrecht, 1981 in Dortmund geboren, ist Schriftsteller und Performer, schrieb die Romane »Drei Herzen«, »Sternstaub, Goldfunk, Silberstreif«, »Beim Anblick des Bildes vom Wolf« und »Anarchie in Ruhrstadt«. 2007 gründete er mit Steffen Klewar das interdisziplinäre Theaterkollektiv copy & waste. Seit 2018 ist Albrecht Gründungsdirektor und Künstlerischer Leiter des Center for Literature auf der Burg Hülshoff im münsterländischen Havixbeck.