Der Schlüssel zu »7«, dem neuen, »b.17« überschriebenen Werk des Düsseldorfer Ballettchefs Martin Schläpfer, liegt in der Biografie Gustav Mahlers. Die opulente Sinfonie in e-Moll, von Schläpfer als »Eiger-Nordwand« bezeichnet, entstand zwischen 1904 und 1906. Ein »Lied der Nacht«, das Mahler komponierte, als er die prominente Position des Hofoperndirektors in Wien bekleidete. Dennoch war Mahler ein Getriebener: »Ich bin dreifach heimatlos: als Böhme unter den Österreichern, als Österreicher unter den Deutschen und als Jude in der ganzen Welt. Überall ist man Eindringling, nirgends erwünscht«, äußerte er einmal. Getriebene sind auch die Tänzer in (dezent jüdische traditionelle Kleidung zitierenden) langen Mänteln und Stiefeln, die bei Schläpfer in einem nachtblau geklärten, katakombenartigen Bühnenraum von Florian Etti auftreten. Jäger oder Gejagte – die Rollen sind nicht eindeutig verteilt. Kraftvolle Ensembleszenen wechseln mit auffällig vielen Dreierkonstellationen, während hier und dort ein Einsamer sich am Rand entlang drückt.
Bisweilen schmunzelnd, setzt der Meisterchoreograf der Musik zwischen Überschwang, Pathos, Bedrohung und auch Lebenslust triumphale Virtuosität entgegen. Geradezu ernüchternd wirkt die Brillanz angesichts der emotionalen Explosionen aus dem Orchester, dirigiert von Axel Kober. Das Spukhafte der Musik spiegelt sich in einer eckigen, koboldhaften Tanzsprache. Wirklich dämonisch wird es allerdings nicht, dafür brutal. Sogar eine Vergewaltigung wird angedeutet. Erdverbundene Tanztheatralik ist Schläpfers Mittel gegen Sentimentalitäten. Nie sah man ihn so konkret und kleinteilig arbeiten. Doch so sehr sich staunen lässt ob der unerschöpflichen Schaffenskraft und des choreografischen Formenreichtums, mündend in einem furiosen Ensemble-Bild, das die ausgrenzende »Reise nach Jerusalem« andeutet, anders als andere Werke berührt »7« nicht. Auf seinem ästhetischen Höhenflug will Martin Schläpfer von Gefühlen nichts wissen.
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