TEXT: BETTINA TROUWBORST
Als Robert North im Januar 2007 die Leitung des Balletts Krefeld/Mönchengladbach übernahm, sollte es eine kurze Amtszeit werden: Die Münchener Ballettakademie warb ihn zur nächsten Spielzeit ab. Allerdings gelang dem leidenschaftlichen Pädagogen und international gefragten Tanzschöpfer ein virtuoser Spagat: Seit drei Jahren fungiert er zugleich als Chefchoreograf am Niederrhein und als Leiter der bayerischen Tanzakademie. Doch von nun an konzentriert er sich ganz auf seine Aufgaben in Krefeld/Mönchengladbach.
Der sympathische Amerikaner feiert am 1. Juni 65. Geburtstag. Reif für den Ruhestand fühlt er sich nicht: »Ich bin noch nicht so weit. Als Tänzer hört man spätestens mit 45 auf, normalerweise mit 35 Jahren. Bei Choreografen und Pädagogen ist das anders.« Sein Metier kennt kein Alter – höchstens Krankheiten. »In unserem Beruf ist Erfahrung wichtig. Tanzkunst wird nicht über Bücher vermittelt, sondern von Mund zu Mund. Meister wie George Balanchine haben bis ins hohe Alter gearbeitet.« Doch irgendwann, das weiß auch North, wird es dann weniger.
Ist es Zufall, dass es jetzt, im Rentenalter, bei North so zu sein scheint? Zeitgleich mit dem Geburtstag endet sein Vertrag in München. »Wenn ich wollte«, überlegt er, »könnte ich vielleicht verlängern, aber ich möchte gar nicht. Es ist ein guter Zeitpunkt.«
Der Kosmopolit gibt München auf, um sich zu Mönchengladbach zu bekennen. Er hat für fünf weitere Jahre unterschrieben und in der City eine Wohnung bezogen. »Es ist ruhig hier, die Stadt ist sauber, die Leute sind freundlich und unkompliziert.« Sagt einer, der in New York, London, Edinburgh, Göteborg, Verona und Turin zu Hause war.
Robert North hat in der Martha Graham Company getanzt, als die Modern Dance-Legende, siebzigjährig, noch dabei war. Er hat das Contempo-rary Dance Theatre London, das Rambert Ballet, das Schottische Ballett und das Ballett in Göteborg geleitet. Der ehemalige Star-Solist ist ein ruhiger, ernsthafter Mensch, kein Schmeichler. Er freut sich über den Zuspruch in Krefeld/Mönchengladbach: »Meine Vorgängerin Heidrun Schwaarz hat ein treues und fachkundiges Publikum herangezogen. Es ist fantastisch, so gebildet, und es unterstützt sein Theater. Es gibt mir das Gefühl, dass
es sich lohnt, hier zu arbeiten.« Klingt ehrlich. Das Theater wiederum gratuliert seinem Direktor zum 65. mit einer Ballettwoche, bei der ausgewählte North-Choreografien auf dem Programm stehen: Das »ThüringenBallett« gastiert mit »Romeo and Julia«, das Györ Ballett/Ungarn mit »Carmen«, Krefeld/Mönchengladbach tanzt »Verschollen«, »Tschaikowskys Träume«, »Casanova« und »Bach«.
Mit seiner Handschrift, einer Verbindung aus dynamischer Klassik und lässiger Moderne, prägt der Amerikaner das Profil seiner Company, die von seinem Job in München profitiert. So hat North jüngst die Absolventin Camilla Matteucci mitgebracht und für die nächste Spielzeit die Kroatin Leona Sidof verpflichtet. Es ist eine bunte Truppe mit nur einer Deutschen, Karine Andrei-Sutter. Auf der Tanzbühne und auf dem Fußballplatz sind deutsche Stars eher eine Rarität. »Die Eltern wollen, dass ihre Kinder in Berufe gehen, die besser bezahlt werden«, vermutet der erfahrene Ballettlehrer.
Die europäischen Companies werden dominiert von Russen, Asiaten, Rumänen. Es sind die einst totalitären Staaten mit ihren großen,
zentralen Akademien, die mit ihrem Nachwuchs die Ensembles der Welt versorgen. »Es liegt an den Strukturen«, vermutet North. Ballettschulen wie die des Mariinsky-Theaters in St. Petersburg werden in einer staatlich geförderten Internatsform geführt. Ehrgeizige Eltern übergeben ihre achtjährigen Kinder dem Tanz. In Deutschland, überhaupt in Europa, sind solche Schulen die Ausnahme. So am Gymnasium Essen-Werden oder an der Staatlichen Ballettschule Berlin, wo ein Tanzabitur möglich ist.
Dabei hält North die deutschen Schulen für hervorragend. Und staunt über das Angebot: Während es hier vier große Ausbildungsstätten gibt – München, Stuttgart, Berlin, Hamburg – hat England lediglich die Royal Ballet School in London, wo North selbst herkommt. Andererseits relativiert North: »Es ist normal, dass Künstler in Europa ihre Ausbildung im Ausland machen und dann auch international arbeiten.«
Der Mann weiß, wovon er spricht.
Vom 1. bis 6. Juni in Krefeld und Mönchengladbach. www.theater-krefeld.de