Zechen als weltverbindendes Element? Klingt zunächst schräg. Passt aber wunderbar in die Vorstellung von Ariel Magnus, der 2021 ein Jahr lang in Mülheim an der Ruhr lebt und arbeitet. Und wenn es um Zechen geht, seine ganz eigene Theorie hat. »Ich glaube, dass alle unterirdisch miteinander verbunden sind – so, wie die Arbeiter an jedem Standort als Team«, sagt der »Metropolenschreiber«, der im Auftrag der Brost-Stiftung durchs Revier zieht – literarisch.
Neuland ist die Region für den deutsch-argentinischen Schriftsteller, der 1975 in Buenos Aires geboren wurde, in jedem Fall: Von 1999 bis 2005 hat er zwar mit seiner Frau in Berlin und Heidelberg studiert, im Ruhrgebiet war er in der Vergangenheit aber nur für einen Abend – 2010 bei einer Lesung in der Zeche Königsborn III/IV in Bönen. Schon als junger Mann haben ihn die Silberbergwerke im bolivianischen Potosí begeistert. Und im Geografieunterricht an seiner deutschen Schule sei das Ruhrgebiet mit seinen Schloten immer die interessanteste Region gewesen. Magnus sieht den Bergbau als ein völker- und kulturverbindendes Netz. Auch wenn hier die Kohle seit 2018 Geschichte ist. »Mich fasziniert diese Nostalgie«, sagt Ariel Magnus. »Sie ist Teil der Identität, mit der man leben muss. Aber das Leben geht weiter.« Zur Recherche hat er daher auch die lakonischen Texte von Frank Goosen gelesen: »Einerseits haben die Leute hier die Nase voll von der Zeche, andererseits haben sie eine Selbstironie entwickelt, die ich genial finde. Ein Volk, das sich selbstironisch sehen kann, das hat schon viel verstanden.«
Ein Gespräch mit Ariel Magnus ähnelt der Lektüre seiner Romane, wie aktuell »Die Schachspieler von Buenos Aires« – freundliche Gelassenheit, pointierter Humor, voller Querverweise und Anspielungen, mit vielen Kommas. Von der Bekenntnis, dass er früher immer dachte, dass die milieugetränkten Filme von Rainer Werner Fassbinder aus dem Ruhrgebiet stammen würden, bis zur Bergmannssprache mit dem polnischen Begriff »Mottek« für Vorschlaghammer ist es nicht weit. Nur, dass Magnus dabei an den Hund seines Vaters denken muss, der ebenfalls »Mottek« hieß – das hebräische Wort für »süß«.
Die vorherigen »Metropolenschreiber« Lucas Vogelsang und Wolfram Eilenberger haben sich dem Ruhrgebiet mit Reportagen und philosophischen Essays genähert. Ariel Magnus macht sein eigenes Ding: »Ich schreibe Fiktion. Keinen Roman, Kurztexte.« Die dann unter dem Titel «Kurzgebiete« erscheinen. Darunter ist auch ein Text über den Bergarbeiter Fernando Luis, der in Südamerika im Stollen falsch abbiegt, um in Unna wieder ans Tageslicht zu kommen. Eine Geschichte von einem, der Neuland betritt. Wie Ariel Magnus selbst.