TEXT: ANDREAS WILINK
Die Lady is not amused. Obwohl wir das Jahr 1961 schreiben, folgt sie eisern viktorianischen Grundsätzen, hält das Empire hoch und jedenfalls der abtrünnigen Neuen Welt und deren Errungenschaften für überlegen. P.L. Travers, zuhause in einer schönen Londoner Straße mit Reihenhäusern und Kirschbäumen vor der Tür – genauso, wie man es, nun ja, von der Familie Banks kennt, der eine gewisse Mary Poppins mit Schirm und großer Tasche hereinschneit –, hat Geldsorgen. Weshalb sie widerwillig zustimmt, ihre Kinderbuch-Heldin an einen Amerikaner zu verkaufen. An den Amerikaner. An den Film. An Walt Disney.
Nach Ankunft im »silly« Wunderland Kalifornien beginnt der Kampf der Titanen: zwischen Miss Travers (von Emma Thompson britischer als die Queen gespielt und mit stets bitterem Geschmack auf der Zunge) und dem vor einer Wand mit seinen Oscars und Spielzeug-Nippes-Kreationen die Honneurs machenden Erfinder der Mickey Mouse, den Tom Hanks als guten Amerikaner schlechthin idealisiert. Die Frage lautet: Regen (England) oder Sonne (L.A.), Jasmin oder Chlor, Kirschbaumblüte oder Palmen, Kultur oder Kommerz, Ernst oder Spaß, Laurence Olivier oder Dick van Dyke, der schließlich die Rolle des Bert in der Verfilmung spielen wird.
Miss Travers bedingt sich aus, dass es kein Animations- und kein Musical-Film werden dürfe. Wir wissen, dass es anders kommt. Unerbittlich diktiert sie dem Team mit Co-Autor und Komponist ihre Ansichten und spricht ein Veto aus. Ursache für die Kratzbürstigkeit liegt – wo sonst? – in ihrer Kindheit, die sie als Erinnerungen heimsuchen: die frühen Jahre in Australien, der erfolglose, hallodrihafte, trunksüchtige, an TBC sterbende Vater, der in einer Bank arbeitet (wie der literarisierte Mister Banks), der seine Tochter vergöttert, ihr das Traumland der Fantasie erschließt und sie doch mit den Bitternissen des Lebens bekannt macht. Mary Poppins ist im Buch mehr Drache als guter Geist, im Film aber Fluchthelferin und Familientherapeutin – realitätstüchtig, vernünftig, anarchisch. Eine Künstlerin. Und Walt Disney ihr Fan, zugleich aber Profi, der das Ideale gegen das Massen-Mögliche einzutauschen bereit ist. Ein fast unlösbarer Konflikt. Da hilft nur das Zauberwort: »Supercalifragilis«.
»Saving Mr. Banks«; Regie: John Lee Hancock; Darsteller: Emma Thompson, Tom Hanks, Colin Farrell, Paul Giamatti, Jason Schwartzman; USA 2013, 126 Min.; Start: 6. März 2014.