Da sind sie also durchs Ruhrgebiet gefahren. Wer den knallorangefarbenen Katalog von »Experiment Heimat« durchblättert, der ein wenig aussieht wie ein Schul-Atlas aus den 70er Jahren, kann es sich leicht vorstellen: Ein Fotograf und eine Schriftstellerin auf dem Weg von Ascheplatz zu Ascheplatz, von Fritteuse zu Fritteuse. »Platz-Verweise« haben der Fotograf Jörg Brüggemann und die Autorin Helene Bukowski ihre Arbeit genannt. Im Projekt »Experiment Heimat« trifft sie etwa auf Gedichtcollagen von Safiye Can oder auf nüchterne Schwarzweiß-Fotos, die Ute und Werner Mahler in der bewaldeten Provinz rund um Detmold aufgenommen haben (»Mein Herz ist grün…«). Standortbefragungen also der unterschiedlichsten Art.
Brüggemann und Bukowski haben das Vereinsleben erkundet – oder was von ihm übrig geblieben ist. Denn mit ihrer Recherche verbunden sind auch Fragen nach seiner Zukunft. Warum engagieren sich Menschen heute noch? Und warum nicht (mehr)? Um zu zeigen, wie Herz und Heimat mit Fußball zusammenhängen, haben sie eine lose Folge von O-Tönen und Momentaufnahmen zusammengetragen, die von Gemeinschaft und Ehrenamt, von falscher Stadtentwicklung und richtigen Fußballfreundschaften erzählen. »Eine Stadt braucht viele Lücken« heißt es in einem der vielen langen Zitate, die Helene Bukowski zusammengetragen hat. Von wem sie stammen? Infos dazu gibt es keine. Aber dafür haben diese kurzen Erzählstränge einen starken Sound: Da wird von Kindheitserinnerungen, längst geschlossenen Freibädern, frischgewaschenen Trikots und Platzwarten berichtet. Von gähnend leeren Fußgängerzonen und motivierten Mädchenmannschaften, die sich selbst heute noch nur mühsam ihre eigenen Spielorte erobern: »Ein Fußballfeld ist eine große Fläche. Dieser Platz steht jeder zu.« Dazu hat Jörg Brüggemann Kinderwagen am Spielfeldrand, Fußballerscheitel und aufgetürmte Plastikstühle festgehalten. Scheinbar assoziativ zusammengestellte Bild-Paare. Das Dortmunder Westfalenstadion als Wadentatoo. Ein allzu bekannter, vielleicht auch deshalb anrührender Streifzug durch die eigene Nachbarschaft, der als Teil einer Wanderausstellung durch Westfalen tourt.
23. Juli bis 21. August im LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg,
Waltrop
26. August bis 9. Oktober im LWL-Industriemuseum Henrichshütte, Hattingen