// Warum sich die Intendantin des Düsseldorfer Schauspielhauses für ihr Regiegastspiel an der benachbarten Rheinoper ausgerechnet Beethovens »schwere Prüfung« aussuchte, um sich zum zweiten Mal im Opernfach zu bewähren, bleibt rätselhaft angesichts ihrer nassforsch verkürzenden Aktualisierung. Sie kann sich zu keiner strukturierenden Idee, geschweige denn Haltung, die diese politischste aller Opern braucht, durchringen. Denn dass man der Liebe nicht trauen will, beschädigt Beethoven nicht im Geringsten, ist doch die besungene Treue jene zum Menschsein, zum Humanismus und eben nicht die private Treue zum Objekt vergänglicher Leidenschaft. Nicht umsonst singt Leonore / Fidelio im Kerker beim Anblick des Häftlings, den sie erst später als ihren Gatten erkennt: »Wer du auch seist, ich will dich retten!« Im Duisburger Haus der Rheinoper wird dieser entscheidende Moment übergangen, wohl aus Versehen. Denn Amélie Niermeyer täuscht eine politische, den privaten Aspekt kritisch beleuchtende Sicht zumindest vor. Während die erste (und leider schwächste) der Leonoren-Ouvertüren im hoch gefahrenen Orchestergraben gespielt wird, läuft ein Video, das Fidelio und Marzelline emsig trippelnd in den Fluren der JVA Köln zeigt. Das geht minutenlang so, bis die Projektionswand transparent wird und das zunächst spektakulär anmutende Bühnenbild von Stefan Braunfels freigibt, das einer Vollzugsanstalt nach Vorbild des Kölner Knasts nachempfunden ist. In mehrstöckig gestapelten engen Gitterställen lümmeln Chorherren und bleiben als störende Statisten permanent anwesend.
Niermeyers Personenführung ist dürftig und steif; von handwerklichen Mängeln wie dem lächerlichen Duell zwischen Pizarros Wumme und Leonores Küchenmesser ganz abgesehen. Doch will der Abend modisch sein: Marzelline (Netta Or mit scharfem, unruhig geführtem Sopran) trumpft selbstbewusst auf, Jaquino (Mirko Roschkowski) soll forsch, Rocco (der vortreffliche Sami Luttinen: diesmal matt) spießig wirken, während Pizarro (Heikki Kilpeläinen) nur ölig und kein bisschen gefährlich scheint. Einen großen Auftritt legt Ludwig Grabmeier als Minister hin, dessen Amnestie – mal wieder! – zum PR-Gag verkommt. Steven Harrisons Florestan (mit kämpferisch eingesetztem, bisweilen unsicher
fokussiertem Tenor) schlurft in seinem Verlies weitläufig umher, die Figur der Leonore (Annette Seiltgen meistert den Fachwechsel vom Mezzo zum dramatischen Sopran respektabel, büßt aber stimmlichen Charme ein und steht wie unter Hochdruck) ist eher blass. Eine Aufführung, die sich selbst in Eigenhaft setzt. Daraus vermag auch Andreas Stoehr nicht zu erlösen, der sich in Originalklangabsicht um Entschlackung und Ausnüchterung bemüht, aber dann doch oft in der Panik vor Karajan-Pathos in die Entschleunigungsfalle à la Harnoncourt tappt. // REM