kultur.west: Frau Végh, Sie haben viele Jahre lang in Kunstvereinen gewirkt. Nun steigen Sie um in ein Museum. Welche Erfahrungen könnten Ihnen in Bielefeld nützlich sein? Was wird neu und vielleicht auch herausfordernd?
VÉGH: Neu ist natürlich, dass ich in Bielefeld mit einer Sammlung arbeiten kann. Darauf freue ich mich sehr, und das war auch der Impuls für den Wechsel. Die Arbeit mit Künstler*innen, mit unterschiedlichsten Partnern aus Politik und Wirtschaft, ein internationales Netzwerk und die Arbeit im Team sind Erfahrungen, die ich an der Kunsthalle nutzen kann. Hinzu kommt, dass ich die Sanierung des Bonner Kunstvereins initiiert und durchgeführt habe – auf den Ort und die Stadt zuzugehen, das wird mir auch in Bielefeld wichtig sein.
kultur.west: Was unterscheidet denn ein Museum des 21. Jahrhunderts von einem des 20.?
VÉGH: Die Kunsthalle in Bielefeld ist ein ganz spezielles Museum des 20. Jahrhunderts. Die einmalige, brillante Architektur von Philip Johnson mit ihren fließenden Räumen ist kein typischer White Cube und fordert Künstler*innen wie Ausstellungsmacher*innen durchaus heraus. Dass wir heute teilweise andere Bedürfnisse haben, als sie diese Architektur der 1960er Jahre bietet, liegt auf der Hand. Einen Weg zu finden, dieses Juwel der Architekturgeschichte zu erhalten und gleichzeitig den Bedürfnissen von heute und morgen gerecht zu werden, das ist die Herausforderung.
kultur.west: Ihrem Vorgänger, Friedrich Meschede, wurde vorgeworfen, er habe ein zu sperriges, dem Publikum schwer zugängliches Programm gefahren. Was wollen Sie tun, damit man Ihnen das nicht nachsagen kann?
VÉGH: Es ist vielleicht ein Problem unserer Zeit, dass die Bereitschaft, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die erstmal keine klare oder einzige Antwort oder Botschaft vermitteln, schwindet. Mit Wikipedia scheint die Welt schnell verständlich, was natürlich ein Trugschluss ist. Alle Ausstellungshäuser haben im letzten Jahrzehnt enorm viel in neue Vermittlungsstrategien investiert, die hohe Kunst ist es, Neugierde und Lust auf komplexere Sachverhalte zu machen. In Bielefeld möchte ich transhistorische Querbezüge zeigen – was hat ein Werk des Expressionismus mit meinem Leben heute zu tun? In welchem Bezug steht es zu Werken der Gegenwart? Ich will Lust darauf machen, Fragen zu stellen, auch wenn man darauf vielleicht nicht immer Antworten bekommt.
kultur.west: Unter Ihnen wird das Haus, wie man hörte, finanziell besser gestellt.
VÉGH: Ja, die Stadt hat einen Ankaufsetat von 150.000 Euro im Jahr zugesichert, den gab es vorher nicht. Auch habe ich mir eineinhalb Stellen mehr ausgedungen, die ich vor allem der Vermittlung widmen will.
kultur.west: Was ist das erste, das Sie sofort angehen wollen oder müssen?
VÉGH: Es musste sehr kurzfristig eine Ausstellung für den Herbst geplant werden. Wir werden mit einer Ausstellung mit Nicole Eisenman aufwarten. Sie ist eine unglaublich virtuose Malerin, die den Nerv der Zeit trifft. Zugleich merkt man ihrer figurativen Malerei die Reflexion der Geschichte der Malerei an. Damit ist ein Anfang gemacht, denn lebendig oder relevant oder bedeutsam ist nur dasjenige, was wir sehen wollen und können im Heute wie auch im Gestern.