Drei Jahre musste das Schloss ohne Direktor auskommen. Jetzt ist ein neuer in Sicht. Jörg van den Berg hat seinen leitenden Posten in Worpswede gekündigt, um mit dem hochangesehenen, doch schwer angeschlagenen Museum Morsbroich einen neuen Anfang zu wagen. Per Freisprechanlage erläuterte er kultur.west jetzt seine Ideen für Leverkusen.
kultur.west: Sie sitzen gerade im Auto. Sind Sie unterwegs von Worpswede an den Rhein?
VAN DEN BERG: Nicht ganz, ich fahre an die Wupper, wo meine Lebensgefährtin wohnt. Mit Leverkusen bin ich zurzeit in einem losen, aber kontinuierlichen Austausch – vor allem mit den beiden Kolleg*innen Thekla Zell und Fritz Emslander, weil wir anfangen, gemeinsam die Zukunft von Morsbroich zu denken. Anfang August dann übernehme ich den Direktorenposten.
Das Haus wirkte in den letzten Jahren mitunter wie ein sinkendes Schiff – zuerst ist Museumsleiter Markus Heinzelmann verschwunden, dann ging Stefanie Kreuzer von Bord, die dort tolle Ausstellungen kuratiert hat. Was lockt Sie aus Worpswede auf diesen doch wohl eher unbequemen Posten?
VAN DEN BERG: Die Situation in Morsbroich wird doch bestimmt von der eklatanten Diskrepanz zwischen dem Ansehen, das das Museum in der Kunstszene genießt, und dem, was ihm in den letzten fünf Jahren kulturpolitisch widerfahren ist. Da gehe ich sehenden Auges heran. Das wird kein Sprint – ich bereite mich auf einen Marathonlauf vor. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass das Museum, seine Sammlung und das gesamte Ensemble Morsbroich jeder Mühe wert sind. Insofern: Ärmel hoch und los.
Es gibt große Pläne für den Park und einen Erweiterungsbau – wie stehen Sie dazu?
VAN DEN BERG: Das kann ich zu diesem frühen Zeitpunkt nicht im Detail beurteilen. Sagen kann ich aber, dass es zwingend notwendig wird, das Ensemble konsequent als Ganzes zu denken. Der Park, die Remisen, das Schloss – die Anlage hat in ihrer Gesamtheit ein unerhörtes Potenzial. Das ist von meinen Vorgängern noch zu wenig gestaltet worden. Ich möchte ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das Museum nicht an der Eingangstür zum Schloss beginnt. Mir ist sehr daran gelegen, aus Morsbroich ein Gesamtkunstwerk zu formen, das für die Leverkusener*innen und darüber hinaus eine ganz neue Geste des Gastgebens entwickelt.
Immer wieder stand die Leitung des Hauses wegen enttäuschender Besucherzahlen in der Kritik. Hoffen Sie, dieses Problem mit der Aufwertung des Ensembles und durch die neue Geste des Gastgebens beheben zu können?
VAN DEN BERG: Ja, wobei ich aber keinesfalls vorhabe, den Weichspüler reinzuziehen, in Bezug auf die Qualität und Radikalität der gezeigten Kunst und der Art ihrer Präsentation. Doch halte ich es für wichtig, sich nachhaltig zu öffnen. Darüber müssen wir immer wieder nachdenken und unsere Vermittlungsarbeit dementsprechend gestalten. Was hat die Kunst unserer Gesellschaft zu geben, gerade auch außerhalb des Kunstbetriebs? Das ist für mich die zentrale Frage. Wir wollen uns einmischen in die Zukunftssicherung und -gestaltung unserer Stadt.
Womit wollen Sie beginnen, wenn sie im August in Leverkusen die Arbeit aufnehmen?
VAN DEN BERG: Ich möchte intensiv in die Sammlung und die Historie des Hauses eintauchen. Und auch die Stadt muss ich mir erwandern, eben weil wir das Museum und die dort gezeigte Kunst in unmittelbaren Kontakt zur Stadtgesellschaft bringen wollen.
Meinen Sie, dass dies in der Vergangenheit versäumt worden ist?
VAN DEN BERG: Das ist leider offensichtlich. Schon wenn man von außen auf die Situation schaut, kann man das deutlich wahrnehmen. Völlig zurecht hat das Team um Markus Heinzelmann, Stefanie Kreuzer und Fritz Emslander alles an kuratorischen Preisen in der Republik abgeräumt. Ihr Ausstellungsprogramm war wirklich von außerordentlicher Qualität. Aber wenn man sich anschaut, was dort in den letzten Jahren, ausgelöst durch das in meinen Augen gesellschaftspolitisch indiskutable Gutachten von KPMG, passiert ist, dann ist es extrem bedenkenswert, dass das Museum so wenig Rückhalt in der Stadt aufbauen konnte.
Ihr Lebenslauf qualifiziere Sie nicht unbedingt für die Leitung eines Museums mit überregionaler Strahlkraft, so kommentierte jüngst der Kölner Stadtanzeiger. Was meinen Sie dazu?
VAN DEN BERG: Das finde ich ebenso nachvollziehbar wie eindimensional gedacht. Mein Lebenslauf entspricht tatsächlich nicht dem Standardlebenslauf eines Museumsdirektors. Doch aufgrund dieses ‚anderen’ Lebenslaufs werde ich Qualitäten einbringen können, die in eben dieser aktuellen Situation helfen werden, das Museum Morsbroich zukunftsfähig zu machen. Die rein immanenten Standards des Betriebssystems Kunst reichen da nicht mehr.
Vom 2. Mai bis 29. August 2021 ist im Museum Morsbroich die Ausstellung »Der Katalysator.Joseph Beuys und Demokratie heute« zu sehen. www.museum-morsbroich.de
Zur Person
Jörg van den Berg ist 1965 in Duisburg geboren. Seit 2018 war er Direktor des Museums Große Kunstschau Worpswede. Zuvor hatte der Kunstwissenschaftler und Ausstellungsmacher an Hochschulen, für Kunstvereine und private Stiftungen gearbeitet.