Die Regisseurin Hannah Biedermann wurde 1982 in Bonn geboren. 2007 gründete sie die Performancegruppe pulk fiktion, mit der sie seither die Kinder- und Jugendtheaterszene aufwirbelt.
»Es bewegt sich immer so viel, da ist es schwierig, von einem aktuellen Stand der Dinge im Kinder- und Jugendtheater zu sprechen. Auch pulk fiktion ist als freie Gruppe immer wieder im Wandel. Wir arbeiten fast jedes Mal mit verschiedenen Menschen zusammen. Gestartet sind wir 2007 als studentische Gruppe, da waren wir noch bereit, für wenig Geld zu arbeiten. Mittlerweile bekommen wir zum zweiten Mal die Spitzenförderung des Landes. Und dann stellt man sich immer wieder die Frage, wie man sich als freie Gruppe strukturell begreift, wie man gerecht das Geld verteilt? Geld ist generell ein zentrales Thema im Kinder- und Jugendtheater. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es mit den Produktionen im Abendspielplan finanziell gleichgestellt wird und dass die Preisgelder angeglichen werden. Pulk fiktion leistet sich Formate und Ideen, die sich nicht immer so gut verkaufen lassen. Das werden wir auch weiterhin tun. Aktuell haben wir ein interaktives Hörstück für Sehende und Blinde entwickelt. Das ist sicher schon in Richtung Zukunft gedacht. Wir haben aber auch schon früher über Themen wie Barrierefreiheit und Diversität diskutiert, was gar nicht so einfach war, weil all unsere studentischen Kontakte ihren Hintergrund im Bildungsbürgertum hatten und weiß waren. Manchmal frage ich mich, ob es Pulk Fiktion in 20 Jahren noch geben wird. Ich habe die Gruppe immer weiter getragen und weiß, welch künstlerischen Gewinn ich daraus ziehe. Aber als Regisseurin und an anderen Theaterhäusern verdiene ich viel besser. Da fragt man sich dann schon, ob dieser Aufwand es eigentlich wert ist. Dennoch, ohne zu utopisch oder all zu naiv zu sein, darf man, um weiter zu machen, auf keinen Fall davon ausgehen, dass es schlimmer wird. Ich bin zwar müde und erschrocken davon, dass bei Festival-Eröffnungen des Kinder- und Jugendtheaters, in den Reden und Vorworten heute wie vor schon 20 Jahren, immer noch vor allem auf Kürzungen und die finanziellen Probleme hingewiesen wird. Dass als Dauerbrenner immer noch betont wird, dass das Theater für Kinder und Jugendliche Theater wie alles andere auch sei, dass hier dieselben professionellen Menschen mit demselben Aufwand arbeiten. Ich habe aber die Hoffnung, dass die Bilder von einem anachronistischen Rote-Nase-Theater endlich mal verschwinden. Dass das Kinder- und Jugendtheater in der Ausbildung vorkommt. Dass alles dafür getan wird, dass möglichst viele Menschen Kontakt haben zu einer Aufführung und dementsprechend schon aus ihrer eigenen Biografie her ein anderes Bild vom Theater für junges Publikum haben. 20 Jahre sind ja noch ein bisschen Zeit, um das zu erkämpfen.«
Aufgezeichnet von Sarah Heppekausen