TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Man kann seinen Namen nachbauen. Man kann darauf sitzen. Auf seinen eigenen vier Buchstaben, sozusagen. Solange man einen kurzen Vornamen hat, ist es übersichtlich; eine Sabine Leutheusser-Schnarrenberger braucht da schon mehr Platz. Schwierig wird es für den, der sich unbedingt den Namen der walisischen Stadt »Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrdrob- wllllantysiliogogogoch« in die Wohnung stellen möchte.
Für den Designer Sascha Grewe wäre eine derartige Albernheit ein willkommener Großauftrag; verbunden mit vielen Werkstattstunden. Die Buchstabenhocker seines Möbel- und Designlabels »artcanbreakyourheart« werden zu 100 Prozent von ihm handgefertigt und lackiert. Grundlage für die Hocker ist eine eigens entworfene, moderne Display-Schrift, die man auch gut für die Gestaltung von Flyern einsetzen könnte. In der Typografie hieße dieser Schriftschnitt »extra-bold«, oder passender: »heavy«. Grewe hat die Buchstaben konsequent abstrahiert – breite Versalien, die teils erst auf den zweiten Blick als Schriftzeichen zu erkennen sind. Charakteristika wie die typografischen Punzen, die typischen Öffnungen beim »A« oder »Y«, hat Sascha Grewe zu engen Schlitzen verengt; die drei Querstriche des »E« zu einer Art Treppe vereinfacht. Sein Ziel war, die »Typo auf ein Minimum zu reduzieren« und so eine Verbindung zwischen Buchstabe und Objekt zu schaffen. In der Tat – seine Buchstaben sind vielseitig nutzbar, als Hocker, Beistelltisch oder als Dekorationsobjekt. Sie werden aus MDF-Platten gefertigt und können in 250 Farben lackiert werden; von knallbunt bis hin zu dezenten Pastell- und Grautönen ist alles möglich, auch Sonderwünsche nimmt Grewe entgegen.
Der Bielefelder setzt damit die ostwestfälische Möbelbautradition auf seine Art fort. Schon während seiner Tischlerausbildung arbeitete er an aufwändigen Einzelstücken mit, sein Kunst- und Designinteresse entwickelte Grewe während seines Innenarchitektur-Studiums an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold weiter. Seit Ende 2009 gibt es die Buchstabenhocker, die bereits im Frühjahr 2010 auf dem internationalen Designfestival »DMY« in Berlin gezeigt wurden und ein Jahr später mit der »DMY Asia Exhibition Tour« auf große Reise nach Taipei, Seoul, Tokyo und Bangkok gingen. Zudem wurden die Hocker u.a. mit dem »Förderpreis Junge Kunst« (2009) und dem Preis der Stadt Detmold (2011) ausgezeichnet.
Die angestrebte Verbindung zwischen Design und Kunst hat Sascha Grewe auch geschafft – das Druckkunstmuseum Leipzig wurde auf seine Arbeit aufmerksam, mit dem Ergebnis, dass Grewe eine Ausstellung über Typografie mit seinen Hockern ausstatten konnte; eine belgische Bibliothek war ebenfalls begeistert von Grewes Entwürfen. Mittlerweile hat Grewe in seinen Buchstaben Stauraum geschaffen – es gibt nun auch offene Varianten, in denen sich Bücher und Magazine unterbringen lassen. Dem Buchstaben »S« hat er außerdem zwei Schubladen verpasst.
Der Mann kann aber auch rustikal – dann greift er zur Motorsäge. Bereits 2008 entwickelte er einen Tisch, dessen Beine durch die vier motorgesägten Buchstaben »BEIN« ersetzt wurden; eine Erweiterung des Prinzips ist der Konferenztisch »MEET«. Sein Hocker-Alphabet hat Grewe kürzlich um das »&«-Zeichen erweitert, wie immer unter seinem 44 Hocker langen Arbeitsmotto: »kitsch can make you rich – but art can break your heart«.