TEXT: ANDREAS WILINK
In der Frühzeit des Kinos erstaunte sich ein Kritiker über das, was da auf der Leinwand passierte: dass die Schnelligkeit eine Atemlosigkeit und Aufregung entwickele, die das eigentliche Drama nicht hervorbringen könne. Das hat sich nicht verändert, nur vielfach beschleunigt. Von Regisseur David Ayer wird es in seinem rasanten Cop-Thriller noch in eine weitere Dimension gesteigert. Die beiden Hauptfiguren zeichnen ihre eigene Geschichte mit Miniatur-Videokameras auf, die sich leichter handhaben lassen als ihre Colts. Die produzierten wackligen Nahaufnahmen würden wohl selbst Lars von Trier konfus machen und dessen Dogma erschüttern. Die fiktiv authentische Amateurhaftigkeit suggeriert, »End of Watch« laufe auf Youtube – so also reagiert Hollywood auf neue Sehgewohnheiten.
Die Police-Officer Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Mike Zavala (Michael Pena) fahren Streife im Hexenkessel des berüchtigten South Central Los Angeles: »Ich bin die Konsequenz. Ich bin das Schicksal mit Dienstmarke«, lautet ihr Mantra. Bei Dealern und Killern, Schwarzen und Latinos beweisen sie Tapferkeit vor dem Bürger. Und holen auch schon mal ein paar Kids aus einem brennenden Haus. Zwei Kumpel, die sich alles anvertrauen, nicht zuletzt ihre Sexgewohnheiten und ihre Lebens- und Liebesphilosophie. Hier wird der kaltschnäuzige Film plötzlich nestwarm und feiert das traute Heim mit Romantik, Hochzeit und Kindersegen. Mag sein, dass sich die Härte des Alltags auf den Straßen von L.A. nur so aushalten lässt, wenn sich sonst schon zwischen den good und den bad guys Sprache, Verhaltensweisen und Musikvorlieben derart einander angeglichen haben, dass der Unterschied zum (auch verbal) protzigen und präpotenten Gangsterstil und seinen Macho-Allüren nur noch an den Uniformen und dem Rot- und Blaulicht am Auto festzumachen ist. Bald geraten Taylor und Zavala einem mexikanischen Drogenkartell in die Quere, dessen Mordtaten, Warentransporte und Menschenhandel sie empfindlich stören, damit den Gegenanschlag des Syndikats herausfordern und der Bande in die Falle gehen. Von einem »muskulösen Kino der Ausbeutung« sprach die New York Times und meinte es als Kompliment. Wer weiß, ob eher der fulminant inszenierte Explosivstoff oder der patriotisch-pathetische Epilog bei dieser Einschätzung mitgewirkt haben?
»End of Watch«; Regie: David Ayer; Darsteller: Jake Gyllenhaal, Michael Pena, Anna Kendrick, Nathalie Martinez; USA 2012; 109 Min.; Start: 20. Dezember 2012.