Stefanie Stadel erinnert sich an den Ausstellungsmacher und Kunstprofessor, den markanten Museumsdirektor, genialen Strippenzieher und leidenschaftlichen Postkartenschreiber, der Anfang August im Alter von 80 Jahren seiner schweren Krankheit erlag.
Die Nachricht vom Tod kam und gleich darauf die Frage: Wo stecken sie nur, die kleinen Andenken an Kasper König? Zum Gück fanden sie sich gut aufbewahrt in Ordner und Klarsichthülle. Ein paar alte Postkarten, die er im eigenen Design mit Schnipseln aus Zeitschriften und Schriftbändern überklebt hatte. Auf der Rückseite ein paar eilige Zeilen – mal bestätigte er einen Termin, ein andermal sagt er danke für einen Artikel in kultur.west.
Wahrscheinlich wurden aus Kisten und Regalen rund um die Welt in den letzten Wochen etliche Souvenirs dieser Art hervorgekramt, hatte der Ausstellungsmacher, Hochschulrektor und Museumsleiter doch über Jahrzehnte am liebsten per Postkarte korrespondiert. Vor drei Jahren noch hatte er von vielen leidigen Arztbesuchen erzählt, bei denen er immer mit einer Schere im Wartezimmer saß und vor den Augen entsetzter Patient*innen brauchbares Material für seine Postkarten-Collagen aus den »blöden Illustrierten« schnitt. Geschichten wie diese sahen ihm ähnlich und hörten sich noch amüsanter aus, wenn er sie selbst zum Besten gab.
Nach den Postkarten kommen die Erinnerungen zu Tage. Vor allem an Kasper Königs zwölf Jahre am Museum Ludwig in Köln. Man denkt an Pressekonferenzen, bei denen alle die Ohren spitzten, sobald der Direktor an der Reihe war mit dem Reden. Um ja alles mitzukriegen: Königs unverblümten Kommentare, die selbstironischen Anmerkungen, seine schrägen Anekdoten und die ganz persönlichen Einsichten in die Kunst und den Kunstbetrieb. Ebenso präsent ist ein Interview im Kölner Büro, wo er mit Hosenträgern zwischen übervollen Regalen, Büchertürmen und haufenweise Papierkram saß und lauter interessante Dinge zu erzählen wusste, nach denen man eigentlich gar nicht gefragt hatte.
Er liebte sein Museum. Streifte täglich durch die Säle. Nur wenn er, nach eigenen Worten, »ganz mies drauf« war vielleicht einmal nicht. Am Schreibtisch sitzend, genoss König bei offenem Fenster das Rattern der Züge auf der Kölner Hohenzollernbrücke. Im Foyer hätte er gerne die rollenden Boards gehört, und jene Skater*innen willkommen geheißen, die damals draußen auf dem Roncalliplatz ihre Kunststücke probten. »Das Museum ist ein öffentlicher Raum. Es gehört allen und keinem«, so Königs vielzitiertes Credo. Neues Publikum wollte er locken.
Und auch neue Kunst sollte ins Haus. Den ersten ungewöhnlichen Coup als Museumsdirektor landete er mit einer eigens zusammengestellten Wunschliste, die er in der Schau »Museum unserer Wünsche« präsentierte, um mögliche Sponsoren zu animieren. Mit Erfolg. Nicht weniger bemerkenswert die Ausstellung, mit der sich der Direktor aus Köln verabschiedet hat. Unvergessen ist der gemeinsame Rundgang durch die Säle, bei dem König überraschend nachdenklich wurde – mit Blick auf eine Gegenwart, die »immer visueller und damit auch immer blöder« werde. Mit Blick auf Kolleg*innen, die sich nur mehr gegenseitig bestätigten und Künstler*innen, die drei, vier Ausstellungen gleichzeitig bedienten, weil sie – einmal oben angekommen auf dem Karussell – ungeheure Angst hätten, wieder hinunterzukippen. Mit seiner letzten Ausstellung wollte er sich nicht zuletzt noch einmal an die eigene Kuratorennase fassen.
So ernst war es König aber offenbar nicht mit dem Überdruss am Kunstbetrieb. Er mischte auch nach der Pensionierung weiter kräftig mit. Etwa 2014 als Leiter der Manifesta in Sankt Petersburg und bis 2017 bei den Skulptur Projekten Münster, die er 1977 mitgegründet hat. Dass er die nächste Ausgabe der legendären Freiluftschau 2027 nicht mehr leiten können würde, war schon länger klar. Für kommenden Oktober hatte der schwer erkrankte König im Kölner Auktionshaus Van Ham bereits die Versteigerung großer Teile seiner privaten Sammlung in die Wege geleitet.
Auch zu Hause lebte er mitten in der Kunst. Ganz nach seiner Überzeugung: Die eingehende Auseinandersetzung mit ihr könne das Leben vielleicht nicht besser, aber in jedem Fall intensiver machen.