Der Saal ist noch voll beleuchtet, im Bühnenhintergrund hängt ein weißer Lamellen-Vorhang, als wäre das hier ein Tagungsraum in einem Kongresszentrum, da tritt Dragana Bulut nach vorne. Entspannt steht sie da, nestelt an ihrer Kleidung und erklärt, dass so viel schief gegangen sei, seit sie angereist ist. Was genau das ist, ob jemand krank geworden ist oder sich verletzt hat, ob vielleicht das Gepäck verloren gegangen ist, das sagt sie nicht. Auf jeden Fall sei die Performance eigentlich nicht machbar und überhaupt sei sie ja gar nicht für die Bühne geschaffen. Dieses ganze Herumreisen, das Auf- und Abbauen, die Unsicherheit, das ist gar nicht ihr Ding und längst habe sie eine ordentliche Depression entwickelt.
Es ist ein typischer Theatermoment. Die Schrecksekunde für das erwartungsvolle Publikum, wenn jemand aus dem Produktionsteam vor den Vorhang tritt. Erst als Bulut immer persönlicher wird, immer länger und ausführlicher, wird klar, dass „Happyology – Tears Of Joy“ längst angefangen hat. Bulut selbst setzt sich bald auf die Treppe der Zuschauertribüne und Andrew Hardwidge kommt mit penetrant optimistischem orangefarbenen Pullover und ebensolchem Grinsen hinter dem Lamellen-Vorhang hervor. Mit dem Headset des Live-Coaches bewährt, beginnt er, Bulut und uns alle in ein besseres Leben zu führen.
Später übernimmt Dani Brown. Immer wenn eine neue Stufe des Glücks erreicht ist, blinken die Lampen lustig und ein Jingle wie aus einem altertümlichen Computerspiel ertönt. Von Energien ist die Rede, vom Lächeln, das wir durch unseren Körper fließen lassen sollen, es werden kleine Übungen mit dem Publikum vollführt, bei denen Kraft und Glück freigesetzt werden sollen und zwischendurch wird das Befinden abgefragt und auf einem Klemmbrett notiert. Alles genau so, wie es wohl wirklich in solchen Motivationsseminaren abläuft. Dann aber gerät es aus der Bahn, aus dem Off wird plötzlich nicht mehr das Publikum, sondern die Lichtanlage motiviert, Bulut verwandelt sich im Schwarzlicht zur diabolischen Energie-Smoothie-Mixerin und Dani Brown zur peitschenschwingenden Glücklichkeits-Domina.
Sich über die Absurditäten der Coaching-Szene lustig zu machen, wirkt auf den ersten Blick einfach. Amüsant ist es aber allemal, was Bulut hier zeigt. Und dann gibt es auch diese starken Augenblicke, die immer in der direkten Interaktion mit dem Publikum entstehen. Wenn (fast) alle bei einer Übung mitmachen. Wenn wir unsere Energie als imaginierte Kugel in den Händen halten und sich ausdehnen lassen oder wieder komprimieren. Dann schwindet die Distanz. Macht es vielleicht doch etwas mit mir? Ist es gar nicht so albern, wie ich immer dachte? Ist das wirklich so anders als in meinem Yoga-Kurs oder bei der Kraniosakraltherapie, die ich mir manchmal gönne? Die Sehnsucht, schnell und einfach glücklich zu werden, die verführerische Idee der Selbstoptimierung, nur durch ein – wenn auch teures – Seminar, die Anfälligkeit für solche Versprechen ist allgegenwärtig.