Die Rheinoper gibt derzeit dem Hang zur leichteren Muse nach. Nach Rossinis »Turco in Italia« und unlängst der trashigen Mode-Farce »Fashion«, die man fix auf dem Uraufführungsfriedhof zur Ruhe betten wird, setzt sich die Reihe im Duisburger Haus mit Donizettis »Liebestrank« fort. Für die Auslastungs-Zahlen eine sichere Nummer; allein, evident wird langsam die Preisgabe eines Anspruchs, den ein Institut dieses Zuschnitts erwarten lassen dürfte. Der Risikofaktor scheint ausgeschaltet. Dabei drängt sich für den komödiantischen Aspekt des »Liebestranks« subtilere Ausformung auf, ist es doch ein Meisterwerk der Ambivalenz, das den Amüsierwilligen ebenso befriedigt wie den Melancholiker. Nicht umsonst lautet der listige Untertitel des textlich auf den Tristan-Stoff anspielenden Werks eben nicht Opera buffa oder Comedia, sondern Melodramma, denn der Musik zur verwirrend schlichten Handlung ist ein herb-süßer Unterton eingeschrieben.
An der Rheinoper ignorierte das aus zwei Söhnen großer Väter bestehende Leitungsteam dies: Andràs Fricsay Kali Son (Filius des Dirigenten Ferenc Fricsay) oblag die Regie, Pierre-Dominique Ponnelle (Filius von Jean-Pierre Ponnelle) die musikalische Leitung. Schon während der Ouvertüre spross es ahnungsvoll arg. Plastikblumen wuchsen aus Kunstrasen, ein Plüschmaulwurf winkte vom Souffleurkasten. Dann gab der Vorhang eine alpine Modelleisenbahnlandschaft frei, auf deren Bergrücken eine überdimensionale barbusige Pappschönheit gelangweilt einen winzigen goldenen Stier betrachtet. Vor dieser Kulisse (Bühne: Tina Kitzing) tummelt sich in bonbonbunte Trachten gekleidetes Chorvolk und spielt Komödienstadl. Arme in die Hüften gestemmt, Beine hoch und Schunkeln – das ist die witzig gemeinte, doch stocksteife Choreografie.
Das Künstlich-Überzeichnete des Ambientes setzt sich kaum gemildert auch bei der Personführung durch. Fricsay schnitzt, wenngleich virtous und variantenreich, seinen Regie-Holzschnitt. Die andere Hälfte der Donizetti-Wahrheit wird unterschlagen. Zumal sich auch Ponnelle nicht eben als Meister der Nuance erweist. Wie so oft an der Rheinoper reißen die Sänger es raus, und mehr als das: Netta Or (Adina) begann trefflich, musste sich nach der Pause ihrer Erkältung ergeben und stimmlich von der sie sogar noch überragenden Ekaterina Morozova ersetzen lassen; Andrej Dunaev ist ein anrührender, schmelzend sein »Una furtiva lagrima« absolvierender Nemorino; Bruno Balmelli (Dulcamara) und Dmitri Vargin (Belcore) tun das ihre dazu. Im Ergebnis dann doch gewissermaßen ein lachendes und ein weinendes Auge. // REM