Weiß ist die Farbe der klassischen Moderne. So lautet zumindest das Klischee. Die reinweiße Putzfassade zeigt die Kubatur eines Gebäudes in ihrer ganzen Klarheit und drückt die Reduzierung auf das Wesen der Architektur aus. Dass die »weisse Moderne« teilweise allerdings ziemlich bunt war, nicht nur bei Le Corbusier, wird dabei gerne ausgeblendet.
Fest steht, dass etwa im Bergischen Land Fassaden seit Jahrhunderten schwarz sind, weil sie traditionell mit Schiefer verkleidet werden. Und dass es in NRW auch einige ältere, prominente schwarze Beispiele gibt, wie den schwarzen Granit, den Dissing & Weitling 1975 für die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf verwendeten. Oder das Ruhrkohlehaus II (heute STEAG) von Egon Eiermann in Essen von 1960, das mit schwarzen Keramikfliesen verkleidet ist.
Aus neuerer Zeit stammt die Erweiterung des Deutschen Bergbaumuseums von Bethem & Crouwel in Bochum. Der 2009 eröffnete Bau mit dem etwas plakativen Beinamen »Schwarzer Diamant« ist nicht nur ein Beispiel für schwarze Fassaden, sondern noch mehr für gelungene »sprechende« Architektur. Der mattschwarze Kubus ist durch Gänge an den Altbau angeschlossen, die an Bandbrücken erinnern. In die Fassade eingeschnitten sind leuchtend orangefarbene Gänge und Treppen. So wirkt der Bau, als sei er aus einem Stollensystem herausgeschnitten und an die Oberfläche geholt worden. Was an anderer Stelle vielleicht aufdringlich und laut wirken könnte, zeigt hier genau das richtige Selbstbewusstsein. Eingezwängt zwischen dem monumentalen Altbau und einem Bahndamm braucht der Bau die ästhetische Kraft, um sich zu behaupten.
Gerade erst fertiggestellt wurde das »Mercator One« von Hadi Teherani in Duisburg. Der mit schwarzen Fliesen verkleidete Büroriegel fasst den Vorplatz des Duisburger Hauptbahnhofs, der die A59 deckelt – so wie es die städtebauliche Gesamtplanung von Sir Norman Foster vorsieht. Auch die bodentiefen, nahezu quadratischen Fenster sind getönt und passen sich so perfekt in die schwarze Fassade ein. An den schmalen Seiten falten sich die Stockwerke fächerartig auf. Der Bau rahmt den Platz perfekt, indem er die stark befahrene Mercator-Straße wegblendet. Mit seiner schwarzen Verschlossenheit schottet er allerdings auch optisch den direkten Zugang zur Stadt ab. Als undurchdringliche Wand steht er Ankommenden, die den Hauptausgang des Bahnhofs benutzen, gegenüber. Die Auffächerung der Stockwerke könnte hier als einladende Geste gedacht sein, öffnet sich allerdings an dieser Seite nicht zum Bahnhofsportal, sondern zur Stadt hin. Ein Planungsfehler? Einem erfahrenen Architekten wie Teherani ist das kaum zu unterstellen. Dass die einladendere Seite des »Mercator One« zum Nebenausgang blickt, könnte wiederum mit dem Stadtumbauplan von Foster zu tun haben. Der sieht nämlich eine deutliche Aufwertung des Zuganges zur Stadt über den Nebenausgang des Hauptbahnhofes vor, da hier die Besucher*innen direkt in die autofreie Königstraße und das eigentliche Zentrum gelangen. Wenn diese Planung irgendwann umgesetzt sein sollte, soll Teheranis Bau die Menschen sanft in die Stadt hineinlenken, direkt in die Shopping-Meile und Richtung Innenhafen. Bis dahin allerdings wirkt das »Mercator One« wie eine etwas finstere Begrüßungsgeste in Duisburg.