Eine Notunterkunft will zuallererst ein Dach über dem Kopf sein. Sie soll Schutz bieten, wenn der Schutz dringend benötigt wird. Die Notunterkunft ist etwas Temporäres, sie muss schnell da sein, wenn sie gebraucht wird, aber sie ist nicht auf Dauer angelegt. Die unmittelbare Not soll sie beenden, aber nicht zur ständigen Wohnung werden. Ein Übergangsraum. So kurzfristig wie sie entstehen muss, so schnell sollte sie auch wieder verschwinden können, wenn sie nicht mehr gebraucht wird, und nicht als Erinnerung an die Notsituation im Stadtbild stehen bleiben. Wobei – in der Stadt finden sich die wenigsten Notunterkünfte, meist liegen sie am Stadtrand, versteckt zwischen Vorstadt und Ausfallstraßen.
Mit den Geflüchteten aus Syrien 2015 mussten schnell Notunterkünfte her. Wohncontainer waren vielerorts das Mittel der Wahl. Das Beispiel hier stammt aus Bochum. Neben typischen Mietskasernen der 1950er – auch sie eine Art Notunterkunft – reihen sich die Wohncontainer in zwei Riegeln aneinander. Funktional, aber in der Anmutung eben auch sehr provisorisch. Zu Recht weisen Menschenrechtsorganisationen darauf hin, dass der Container einen hochproblematischen Symbolgehalt mitbringt. Er steht zuallererst für Mobilität, als könnte er bald samt seiner Bewohner*innen weitertransportiert werden. Er ist also das genaue Gegenteil von Stabilität, die von Krieg und Vertreibung traumatisierte Menschen aber zuallererst bräuchten. Auch hält die Aufstellung im städtischen Niemandsland die Geflüchteten auf Abstand zu der Gesellschaft, an der sie eigentlich teilhaben wollen.
Wie eine Notunterkunft auch aussehen kann, zeigt hier ausgerechnet ein Büro, das sonst sein Geld vor allem mit »Luxus«-Geschosswohnungsbau verdient. Mit jenen fiesen weißen Kisten, die mit dumpf symmetrischen Fassaden, französischen Balkonen, Simsen, Buchsbaumdeko und an Art Deco angelehnten Lämpchen Wertigkeit suggerieren wollen – und die in ihrer Belanglosigkeit und öden Eintönigkeit jede DDR-Platte in den Schatten stellen.
Einer der wenigen architektonisch geglückten Entwürfe gelang RKW+ Architektur aus Düsseldorf ausgerechnet mit etwas ganz anderem: Einer Notunterkunft. 2016 in Essen gebaut, 2017 vom Bund Deutscher Architekten (BDA) Essen ausgezeichnet, 2019 auf der Shortlist des vom Deutschen Architekturmuseum (DAM) vergebenen Preises. Drei zweistöckige Riegel hintereinander, dem abfallenden Gelände folgend, mit einem Versatz in der Mitte. Das zweite Stockwerk wird durch Laubengänge erschlossen, was ein wenig an amerikanische Motels erinnert. Die Modulbauweise macht den Bau kostengünstig, durch den Versatz in den Riegeln wird die Gleichförmigkeit geschickt aufgebrochen. Die glasierten Klinker in Zusammenspiel mit holzfarbenen Türen geben den Gebäuden eine solide und wertige Optik. Auch diese Notunterkunft liegt zwar im städtischen Randgebiet, aber wenigstens nicht an einer Ausfallstraße, sondern fast direkt an der Ruhr.