Durch die Verdienstausfälle in den vergangenen Corona-Monaten mussten vor allem viele Freiberufler*innen und Soloselbständige es zum ersten Mal in ihrem Leben tun – ein Jobcenter besuchen. Allerdings blieb ihnen der Blick in düstere Büroetagen und auf vergilbte Strukturtapeten im Wartebereich erspart, denn durch die Kontaktsperren werden die Antrage nur online gestellt.
Ausgerechnet im hochverschuldeten Oberhausen lohnt der Besuch des Jobcenters nun aber auch ganz ohne wirtschaftliche Not. Dort hat das Berliner Büro Kühn Malvezzi 2019 ein erstaunliches Kleinod aus Backstein und Glas gebaut. Im Erdgeschoss wird über ALG-II-Anträge entschieden, während in den oberen Stockwerken das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik forscht. So erinnert der gezackte, gläserne Dachaufbau nicht nur an Gewächshäuser – er ist tatsächlich eins. Einen öffentlichen, vertikalen Garten und eine Aussichtsterrasse gibt es gleich mit dazu.
Dass die Gewächshäuser eine Zick-Zack-Kante machen, ist nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch bedingt: Sie nimmt die Formensprache des Backstein-Expressionismus auf, von dem es mit dem Bert-Brecht-und Ruhrwacht-Haus in der Oberhausener Innenstadt einige herausragende Beispiele gibt. Horizontale Lisenen gliedern die Backsteinfassade mit ihren bodentiefen Fenstern. So wirkt das Jobcenter im Erdgeschoss großzügig und überraschend einladend. Die nötige räumliche Diskretion für die Bearbeitung der Anträge und persönliche Beratung findet sich im Innern.
Schon die Anfahrt macht depressiv: das Jobcenter in Düsseldorf Süd
Trotz der architektonischen Qualität des Oberhausener Jobcenters ist es noch lange kein Glück, dort vorstellig werden zu müssen. Beim Jobcenter Düsseldorf Süd macht allerdings schon die Anfahrt depressiv. Im Reisholzer Hafen, dort, wo die Stadt zwischen der aufgeständerten Münchener Straße und dem Rhein ausfranst, wo die Revitalisierung der historischen Werfthallen zwar Unternehmen, aber kein Leben anziehen konnte – dort steht ein Bürobau von 1994, dessen Urheberschaft nicht mehr zu klären ist. Sicher ist nur: Schon zur Zeit der Fertigstellung wirkte die postmoderne Fassade aus der Zeit gefallen. Heute, da die Lackierung der vorgeblendeten Metallelemente verblichen und abgeblättert ist, die Dichtungsmasse aus den Fugen heraushängt, sich in dem Zuviel der Fassadendekoration der Schmutz sammelt, zeigen vermeintlich herrschaftliche Symmetrie, Giebel und Rundbögen ihre ganze ästhetische Sinnlosigkeit. Die Überfrachtung der Fassade mit Deko-Elementen und Materialien gibt dem Bau etwas Kulissenhaftes. Die Rücksprünge verdunkeln nicht nur die Fensterbänder, sondern gleich den ganzen Eingang, als läge hinter der Tür nur noch Finsternis. Wer hier hindurch geht, muss alle Hoffnung fahren lassen. Es bleibt nur ein Trost für all jene, die in diesem Jobcenter staatliche Unterstützung beantragen: Die Menschen, die in diesem Gebäude arbeiten müssen, betreten es vermutlich jeden Morgen mit dem gleichen Grausen.