Bei Fragen der Nachhaltigkeit in der Architektur stand lange der Energieverbrauch im Vordergrund. Durch energetische Optimierungen mit dicken Styroporverkleidungen wurden Niedrig- oder gar Nullenergiehäuser gefeiert. Hinzu kamen alternative Energiekonzepte von Photovoltaik über Geothermie bis zu Blockheizkraftwerken. Eine ganz andere Energie steckt allerdings im Gebauten selbst. Unter dem Schlagwort »graue Energie« wird all das zusammengefasst, was an Rohstoffen aufgewendet wird, um ein Gebäude zu bauen.
Aktuelle Konzepte, mit Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen, heißen »Cradle-To-Cradle« (von der Wiege zur Wiege) oder »Urban Mining« und beschäftigen sich mit der Wiederverwertbarkeit von verbauten Materialien oder ganzen Gebäuden.
Was noch vor wenigen Jahren hemmungslos abgerissen worden wäre, wird heute unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit erstmal auf seine Um- und Weiternutzung geprüft. Wie das gehen kann, hat das Kölner Büro JSWD Architekten 2017 anhand des ehemaligen BDI-Sitzes in Köln-Bayenthal vorgemacht. Das Bürohochhaus aus den 1970er Jahren von Claus Winkler mit seiner auffälligen geschwungenen Form und den kupferfarbenen Fensterbändern wurde nicht abgerissen, sondern zum Wohnhochhaus mit dem vom Projekt-Entwickler erdachten und arg werblichen Namen »Flow Tower« umgebaut. Die Grundstruktur aus Stahlbeton blieb, alles andere wurde neu errichtet. Dabei achteten die Architekt*innen darauf, trotz der neuen Nutzung, die etwa auch Balkone erforderte, in der horizontalen Gliederung der Fassade den Charakter des signifikanten Baus zu erhalten.
Die ehemalige pädagogische Hochschule Wuppertal
Ohne Blick auf Nachhaltigkeit wird hingegen gerade ein Gebäude in Wuppertal geplant. Die ehemalige pädagogische Hochschule auf der Hardt wurde bereits trotz erheblicher Widerstände bis auf das Betonskelett zurückgebaut. Unter anderem hatte sich die Gewerkschaft für Bildung und Wissenschaft für den Erhalt des Gebäudes, das 1958 nach Plänen des Leiters des Düsseldorfer Hochbauamtes, Heinrich Morgenbrod, errichtet wurde, engagiert. Der Grund: seine historische Bedeutung. Schließlich galt das Ensemble aus Seminargebäude, Turnhalle, Gartenanlage und Wohnheimen als Zeichen für einen demokratischen Aufbruch der Pädagogik nach dem Dritten Reich.
Richtig absurd wird der Abriss allerdings mit Blick auf Nachhaltigkeit. Die Stadt hat an gleicher Stelle eine vorübergehende Containerkonstruktion geplant, um zwei Schulen nacheinander dorthin während der Sanierung ihrer Gebäude auszulagern. Im Anschluss sollten dann die Container wieder entfernt werden. Der Bestandsbau war allerdings bis zuletzt noch genutzt worden und hätte ohne allzu großen Aufwand für die Weiternutzung ertüchtigt werden können – die wesentlich nachhaltigere Lösung. Zwischenzeitlich wurde dann auch noch die Container-Variante gekippt, weil sie sich als nicht genehmigungsfähig herausstellte. Trotzdem fing die Stadt schon mal mit dem Abriss des Bestandes an. Der Bauingenieur Bernd Böker, der sich für den Erhalt engagiert, sieht selbst in dem jetzt noch verbliebenen Beton-Skelett die Ressource für einen Wiederaufbau und eine Weiternutzung. Selbst wenn historische und baukünstlerische Aspekte außer Acht gelassen werden, wäre das zumindest eine ökologisch sinnvollere Variante gewesen, als jede Menge graue Energie zu vernichten und noch einmal mit einem behelfsmäßigen Container-Interim zu verschwenden. Von den Kunst-am-Bau-Arbeiten des ursprünglichen Gebäudes wurde immerhin eine Arbeit des Bildhauers Ludwig Gies – Schöpfer des Bundesadlers für den Plenarsaal des deutschen Bundestages – gerettet. Ein schwacher Trost.