Düsseldorf: Daniel Libeskinds Kö-Bogen
Der Architekt Daniel Libeskind ist ein Meister der Selbstvermarktung. Zackig zersplitterte Fassaden-Raster und Grundrisse – ein echter Libeskind ist fast immer auf den ersten Blick zu erkennen. Der Architekt selbst hat dann sogar noch jedes Mal eine andere Bedeutung dieser »Voids« und »Cuts« parat, um seinem Credo »Jeder Ort braucht eine eigene Identität. Gerade in Zeiten der globalen Uniformität brauchen wir das, damit nicht die historischen Beziehungen und Kulturen verloren gehen«, gerecht werden zu können.
Warum aber verfiel der Architekt, der sonst so ungemein betonlastig und stählern daher kommt, in Düsseldorf plötzlich darauf, Pflanzen in seine computergenerierte Splitterästhetik zu integrieren? Ist der Hintergrund dafür wirklich, wie er sagt, dass die mühsam aus schiefen Pötten hervorwachsenden Bäume und Gräser einen Anschluss zum benachbarten Hofgarten herstellen sollen? Oder war es doch nur der Zeitgeist? Von 2008 bis 2013 baute Stefano Boeri in Mailand die beiden Wohntürme »Bosco Verticale«, die Diskussionen zum Thema Fassadenbegrünung weltweit in Fachkreisen neu anfachten. Während dort aber energetische, ökologische und mikroklimatische Überlegungen Grund für die flächendeckende Bepflanzung waren, ist das Grün beim Düsseldorfer Kö-Bogen lediglich mehr oder minder ein dekoratives (und auf Instagram vorzeigbares) Accessoire an der abweisenden Fassade eines Shopping-Centers. Freilich eines, das mit ziemlich viel Aufwand gepflegt und gehegt werden muss.
Essen: Georg Metzendorfs Margarethenhöhe
Dabei hätte Libeskind nicht einmal nach Mailand reisen müssen, um sich anzuschauen, wie Fassadenbegrünung eigentlich geht. Nur ein paar Kilometer entfernt weiß man das auf der Margarethenhöhe schon seit über 100 Jahren. 1906 begann Georg Metzendorf in Essen mit der Planung und dem Bau der ersten deutschen Gartenstadt im Auftrag von Margarethe Krupp. Ganz selbstverständlich verschwinden hier die Fassaden ganzer Straßenzüge hinter wucherndem Grün. Wilder Wein, Efeu und Clematis bilden mit Metzendorfs Architektur eine natürliche Einheit – zu jeder Jahreszeit.
Am Kö-Bogen funktioniert nichts einfach so. Auch fünf Jahre nach Fertigstellung des Baus und der Bepflanzung der in die Fassade integrierten Kübel hält sich der Wuchs der von Landschaftsarchitekt Sebastian Fürst sorgsamst zusammengestellten Vegetation sehr in Grenzen. Trotz automatischer, sensorengesteuerter Umhegung. Nicht nur die Bewässerung, sondern auch die Beheizung der Kübel bei Frost und sogar die auch tagsüber nötige Beleuchtung der Pflanzen kosten Mühe. Der Aufwand ist auch deshalb nötig, weil die händische Pflege der Pflanzen nur mithilfe eines Krans von außen möglich ist. Vor allem aber, weil der Standort in den Fassadeneinschnitten einfach denkbar ungünstig liegt. Die unzureichende Belichtung nur aus einer Richtung würde zu krummem Wuchs führen und dadurch wohlmöglich Libeskinds Fassadenästhetik aus dünnen Travertin-Platten und dunklem Glas stören. Holt man heute noch einmal die Renderings hervor, mit denen Libeskind sich um den Auftrag bewarb – man hätte es ahnen können. So artig hält sich die Bepflanzung dort an ihren zugewiesenen Platz in den »Cuts«, dass klar ist, wie wenig sich Libeskind wirklich für Natur interessiert. Bleibt nur die Frage, warum nicht gleich ein paar Plastikpflanzen montiert wurden.