Es wird Frühling und wieder Zeit für Ausflüge. Ostwestfalen ist immer ein gutes Ziel, und das nicht nur landschaftlich. Gleich zwei Denkmäler mit Kolossalskulpturen warten dort auf die Erwanderung: Das Hermannsdenkmal bei Detmold und das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica. Beide aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und, ihrer Entstehungszeit entsprechend, mit einer gehörigen Portion deutschem Nationalismus kontaminiert.
Hermann, beziehungsweise Arminius, der durch Friedrich Gottlieb Klopstocks Dramen-Trilogie zum deutschen Einheitshelden mythologisiert wurde, was in der Folge Heinrich von Kleist und Friedrich Christian Grabbe zementierten, steht dort auf seinem Sockel, blickt und reckt das Schwert warnend gen Westen. Also gegen Frankreich: den ewigen Feind der Deutschen, zumindest im 19. Jahrhundert. Zur Einweihung des Denkmals 1875 war Herrmann die höchste Statue der westlichen Welt, bis heute ist sie die höchste Deutschlands. Der Bildhauer Ernst von Bandel widmete dem Denkmal fast sein gesamtes Leben und erlebte die Einweihung nur knapp.
Die Gesamthöhe von 53,46 Metern verteilt sich zu annähernd gleichen Teilen auf die Statue und den Sockel aus grob behauenem Sandstein – ein typisches Beispiel des Historismus. Auf merkwürdige Art sind die Pfeiler des Sockels über gotisierende Spitzbögen und darüber noch einmal über romanische Rundbögen verbunden. Ihre aufgequollene Wulstigkeit gibt dem Sockel fast etwas Cremetortenhaftes. Die Arminius-Statue besteht aus Kupferplatten auf einer Stahlrohrkonstruktion. Zwei Faktoren machen es recht leicht, den eingangs erwähnten Nationalismus des Denkmals bei Seite zu lassen: Zum einen der grandiose Ausblick von der Aussichtsplattform, zum anderen der beinahe lustige Umstand, dass das Denkmal nach heutigem Forschungsstand an der völlig falschen Stelle steht. Außerdem kann, wer sich nach dem Besuch im Teutoburger Wald reinwaschen will, nach Alise-Saint-Reine fahren und das dortige Vercingetorix-Denkmal – die französische Antwort auf Arminius – besuchen.
In Porta Westfalica wird die entgrenzte Preußen-Verehrung mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal zelebriert. Hier ist der architektonische Anteil weitaus höher als jener der eigentlichen Statue. 1896 wurde der Bau fertig gestellt. Burgartig lagern sich zwei getreppte Terrassen an den Hang, darauf ein tempelartiger Baldachin – alles aus Sandstein und im sogenannten Zyklopenstil. Die eigentliche Statue von Wilhelm I. wurde vom Bildhauer Caspar von Zumbusch entworfen und verliert sich fast in den monströsen Bauten. Die typische Geste des ausgestreckten rechten Armes wurde beim Standbild Kaiser Wilhelms in meiner Heimatstadt Wiesbaden gerne als »so hoch liegt der Dreck« interpretiert, wobei sie in Porta Westfalica auch deutlich kraftvoller und würdiger gestaltet ist.
Im Gegensatz zum Hermannsdenkmal bietet das in Porta Westfalica keine ganz so beeindruckende Aussicht. Allerdings hat es seit 2016 andere touristische Vorzüge: Seit dem Zweiten Weltkrieg wies die untere der beiden Terrassen schwere Schäden auf, die nur notdürftig behoben wurden. Die Denkmalgaststätte, die bereits zum ursprünglichen Konzept gehörte, war seit Beginn der 1990er verwaist und wurde schließlich abgerissen. 2014 wurde damit begonnen, beide Probleme zu beheben. Nach Plänen von Peter Bastian Architekten aus Münster wurde die Terrassenfront rekonstruiert und hinter den stützenden Rundbögen ein Informationszentrum sowie ein Panoramarestaurant untergebracht.
Letzteres ist in seiner schlichten Eleganz weit davon entfernt ein »Ausflugslokal« zu sein. Hier punktet Wilhelm – in Detmold müssen Besucher mit einem Selbstbedienungsrestaurant vorliebnehmen. Was die Deutschtümelei angeht, ist allerdings Hermann klar vorne, weil er als mythologische Figur etwas sympathischer ist als der realpolitische Preußen-Kaiser.