Am Hagener Theater begann die Spielzeit bereits vor einem Monat. Thomas Weber-Schallauers betont grobkörnige Inszenierung von Johann Strauß’ Evergreen »Die Fledermaus« läutete in demonstrativer Sektlaune die Jubiläumssaison zum Hundertsten ein. Die melodienselige Meisteroperette hatte sich ein Drittel des treuen Hagener Publikums ausdrücklich für den Festspielplan gewünscht. Das spricht für Optimismus, obwohl das Theater wie viele der kleineren und mittleren Bühnen im Land seit Jahren immer wieder Gegenstand von Spar- und sogar Schließungs-Debatten ist. Bislang konnte das Äußerste abgewendet werden, auch dank
engagierter Proteste der Bürger, die vor zwei Jahren gar den »Kulturaufstand« probten und im Protestzug durch die Stadt marschierten.
Gerade hat nun zwar die NRW-Theaterkonferenz dem Haus die Zuschüsse um 329.000 Euro aufgestockt, doch ist die Lage alles andere als rosig.
Das Haus bedient mit seinem festen Musiktheater-Ensemble die Sparten Oper, Operette, Musical und Ballett, bringt hier und da Schauspiel-Produktionen und verfügt mit dem »lutzhagen« seit zehn Jahren über ein eigenes Kinder- und Jugendtheater.
»Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist…«, so singen Rosalinde und ihr Ex-Liebhaber Alfred in der »Fledermaus« und bringen damit den Komplex der Verdrängung auf eine süffig-selige Formel. Vergessen, was nicht zu ändern ist, kann sich das Hagener Theater indes kaum leisten. Gleichwohl feiert man den runden Geburtstag betont offensiv.
Intendant Norbert Hilchenbach sieht die Sache mit pragmatischem Optimismus: »Wir feiern aus vollem Herzen; ich denke, das muss man auch, eine halbherzige Feier ist sicherlich nicht angesagt, aber wir vergessen nicht, welche Sorgen wir haben und dahinter die Sorgen der Stadt, die uns dann immer wieder volle Kante treffen werden.« Er sehe aber keinen Sinn da-rin, dies im Jubiläumsjahr zu problematisieren: »Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir eher klotzen als kleckern«
Vom 5. bis 9. Oktober findet die eigentliche Festwoche statt, mit Zelt auf dem Theatervorplatz und einem großteils kostenlosen Programm. Als zweite Premiere folgte schon Puccinis »La Bohème«, also ein weiterer Klassiker des eher kulinarischen Repertoires. Bei dem Stück darf nicht geknausert werden. Damit der magere Etat des Hauses überhaupt ein »Klotzen« hergibt, musste das Leitungsteam sich neben der Hilfe des Fördervereins etwas einfallen lassen. Hilchenbach: »Einmalig für diese Spielzeit haben wir einen so genannten Theatertaler eingeführt, der den Wert von 50 Cent hat und auf jede Erwachsenenkarte im großem Haus aufgeschlagen wird.«
Das Hagener Theater erhält von allen umliegenden kommunalen Bühnen die geringste Unterstützung, kann unter den vergleichbaren Häusern aber mit mehr als 75 Prozent auf die stärkste Auslastung und insgesamt 175.000 Besucher zählen. Diese Bilanz wurde in den vergangenen Spielzeiten erwirtschaftet, auch ohne Jubiläums-Appetitanreger, sieht man von der alljährlichen Operette ab. Hilchenbach hat schon mehrfach wenig bekannte amerikanische Opern ins Programm genommen und zuletzt mit Ludger Vollmers Oper »Gegen die Wand« nach Fatih Akins Film Zeitgenössisches gewagt.
Hilchenbach empfindet seinen Spielplan als »eklatant gut«, ohne jedes Anbiedern und versehen mit »Ecken und Kanten«. Ungeachtet der prekären Situation hat er gerade einen neuen Vertrag bis 2017 unterschrieben. Eine Haltung, die den Namen stoische Beharrlichkeit verdient.