Konzentriert, aber gleichermaßen entspannt wirkt Giuseppe Spota. Im lichtdurchfluteten Saal des Dortmunder Ballettzentrums probt er mit zwölf Tänzerinnen und Tänzern des Junior-Balletts. Etwas über fünf Wochen sind es noch bis zur Premiere von »Echnaton« von Philip Glass an der Oper Dortmund. Gerade ist der italienische Choreograph erst aus Kroatien zurück, wo er mit dem Ballett Rijeka für die Zagreb Biennale die Neuproduktion »Heroj je umoran« (Der Held ist erschöpft) einstudierte. Jetzt geht es darum, mit der Dortmunder Compagnie nach zwei Monaten Pause wieder an den Arbeitsstand anzuknüpfen.
Giuseppe Spota hat bei Stephan Thoss in Wiesbaden getanzt und war dann mit ihm als Ballettmeister und choreographischer Assistent an das Nationaltheater Mannheim gegangen. Thoss’ Einfluss ist seiner Bewegungssprache anzusehen. Keine Spitzenschuhe, viel Arbeit am Boden, schnelle, energiegeladene Abläufe und immer wieder originelle Hebungen, die ins Akrobatische gehen. Das fordert von den Tänzerinnen und Tänzer viel Kraft und Athletik. Ist das ein Problem, wenn er jetzt mit dem Junior-Ballett arbeitet? »Es stimmt, ich fordere sehr viel«, sagt Spota. Auf der anderen Seite sei die Arbeit mit diesen jungen Tänzerinnen und Tänzer ganz wundervoll, da sie wie Schwämme begierig alles an Information, neuen Bewegungen und Herausforderungen aufsaugen.
Philip Glass’ Oper »Echnaton« ist der dritte Teil einer Trilogie über Personen der Weltgeschichte. In Dortmund war bereits »Einstein On The Beach« in der vielbeachteten Inszenierung von Kay Voges zu sehen. Wie diese ist auch »Echnaton« keine Oper oder gar ein Musik-Drama im klassischen Sinn. In drei Akten und elf Bildern wird erzählt, wie Echnaton zum König wird und eine neue Religion einführt, bis er am Widerstand der Bevölkerung scheitert und gestürzt wird. Die einzelnen Szenen sind in sich statisch, es sind tatsächlich Bilder, der Zusammenhang wird von einem Erzähler dazwischen hergestellt. Auch Glass’ Minimal Music ist trotz ihrer im Inneren oft fast hektischen Bewegung kaum erzählerisch und zutiefst undramatisch. Für einen Regisseur, der Giuseppe Spota in Dortmund auch ist, durchaus eine Herausforderung. Zumal der Choreograph mit Opern bisher kaum etwas zu tun hatte. In Sankt Gallen besorgte er einmal die Ballettszenen für eine Inszenierung von »Carmen«.
»Als erstes habe ich dem Team gesagt: Lasst uns alle Ägypten-Klischees über Bord werfen.«
Giuseppe Spota
War es denn ein Traum, einmal eine ganze Oper zu machen? »Nein, ich mache das hier, weil es mir angeboten wurde. Aber es ist eine wunderbare Aufgabe, mit allen Abteilungen dieses Hauses zusammenarbeiten zu können und den Zuschauern dann ein umfassendes Erlebnis aus Musik, Tanz, Gesang, Kostüm und Bühne zu bieten, wie es selten ist.« Anders als viele Echnaton-Inszenierungen, die sich auf das meditativ-rauschhafte der Glass’schen Partitur verlassen und dazu lediglich statische Bilder in ägyptischen Dekors arrangieren, will Spota mehr. »Als erstes habe ich dem Team gesagt: Lasst uns alle Ägypten-Klischees über Bord werfen.« Man könne die Oper sehr gut zeitgenössisch lesen, ist er überzeugt, weil es um einen Systemwechsel geht, der letztlich scheitert.
Was nicht bedeute, dass sein Echnaton plötzlich in New York spiele. Vielmehr arbeitet er an einer abstrakten Version, die sich am Aufbau der Oper und dem Verlauf der Geschichte orientiert, die Spota mit dem Lauf der Sonne, dem langsamen Aufgehen, dem Zenit und dem unweigerlichen Untergang verschaltet. Das Ägyptische findet sich dabei zwar nicht in der Ausstattung wieder, ist aber im Tanz präsent, wo Spota mit Bildern der Sonnenscheibe, von Pyramiden und Kobras arbeitet.
»Ich habe mich sehr bewußt dafür entschieden, ein Ballett zu choreographieren, die Sängerinnen und Sänger sowie den Chor darin aber nur wenig einzubinden. Das hat mit der Probenzeit zu tun, aber auch damit, dass ich niemanden überfordern will, indem ich Dinge verlange, die er nicht gewohnt ist.« Vielleicht will der Choreograph sich aber auch einfach selbst nicht überfordern. Immerhin liegt parallel zu der »Echnaton«-Premiere noch eine ganz andere große Aufgabe vor ihm: Ab nächster Spielzeit übernimmt Spota die Leitung des »Ballett im Revier« von Bridget Breiner.
Das Ensemble hat er bereits zusammen, umbenannt in »MiR Dance Company Gelsenkirchen« wurde es auch schon. Dass es in Gelsenkirchen eine sehr große Nähe zwischen den Künstlern am Haus und dem Publikum gibt, ist Spota sehr bewusst. Er selbst hat diese Atmosphäre während seiner Zeit bei der »Gauthier Dance« in Stuttgart erlebt. Mit seiner neuen Company will er deshalb am Beginn der Spielzeit in den Stadtraum und an Orte außerhalb des Theaters gehen, um sich vorzustellen. Als erste Produktion im großen Haus wird er einen Doppelabend mit Chor und Orchester mit Choreographien von Gästen zeigen. Die erste eigene Arbeit in Gelsenkirchen wird Spota für das kleine Haus choreographieren. Die intime Atmosphäre für ein abendfüllendes Stück zu nutzen, ist durchaus ungewöhnlich, aber genau das reizt ihn. Der dritte Abend, den er für Gelsenkirchen plant, soll dann neue Wege beschreiten. Drei Choreographen werden in einem Green Screen im großen Haus choreographieren. In der Pause ist die Choreographie mit eingeblendeten Hintergründen auf Bildschirmen noch einmal zu sehen. Inhaltlich soll es sich in den Arbeiten um die Zerstörung der Natur drehen. Ein Thema, das Spota selbst gerade auch in seiner Vier-Jahreszeiten-Choreographie in Mannheim bearbeitete. Ein vierter Abend soll von Tänzerinnen und Tänzern aus der Compagnie erarbeitet werden. »Für die Zukunft denke ich über Kooperationen nach. Ich weiß, dass Dortmund und Gelsenkirchen im Fußball erbitterte Kontrahenden sind. Da will ich dagegen arbeiten und eine Brücke bauen – wenigstens im Ballett.«
Echnaton: Premiere am 24. Mai, Theater Dortmund www.theaterdo.de
Weitere Aufführungen: 26. Mai, 1., 7., 9., 20., 21., 22., 29. Juni
MiR Dance Company Gelsenkirchen: www.musiktheater-im-revier.de