Im belgischen Käthe Kollwitz Museum erinnern fünf Künstler*innen aus Halle und Quedlinburg an die mörderische Schlacht von Verdun. Zugleich versteht sich die Schau »Das Ende der Mythen« als Beitrag zum zehnjährigen Bestehen des Museums in Koekelare.
»Nie wieder Krieg«: Das Plakat, das Käthe Kollwitz 1924 für den Mitteldeutschen Jugendtag entwarf, bezog sich auf den Ersten Weltkrieg, in dem auch ihr Sohn Peter fiel. Doch ist der flammende Appell – die Darstellung eines jungen Mannes, der den rechten Arm in einer energischen Geste des Protestes emporreckt – von zeitloser Gültigkeit. Angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und im Nahen Osten wirkt die Lithografie sogar zeitgemäßer denn je.
Wegen ihrer aufwühlenden Grafiken und menschlich tief berührenden Skulpturen, aber auch aufgrund ihres sozialen Engagements zählt Käthe Kollwitz (1867-1945) zu den herausragenden deutschen Künstler*innen des 20. Jahrhunderts. Die Bedeutung der Berlinerin spiegelt sich nicht zuletzt darin, dass gleich vier Museen ihrem Leben und Schaffen gewidmet sind. Neben den Künstlermuseen in Berlin, Köln und Moritzburg bei Dresden (ihr letzter Wohnort) gibt es seit zehn Jahren das Käthe Kollwitz Museum in Koekelare. Ein Geheimtipp.
Das Haus am Sint Maartensplein 15 präsentiert Werke der Kollwitz, bringt sie mit zeitgenössischer Kunst in Verbindung und legt ein besonderes Augenmerk auf ihren Sohn Peter. Er starb in der Ersten Flandernschlacht, die im Oktober und November 1914 zwischen deutschen und alliierten Truppen in der Region der belgischen Kanalküste ausgetragen wurde und mehr als 100.000 Todesopfer forderte. Peter Kollwitz, der schon am ersten Tag seines Fronteinsatzes fiel, ist in der Nähe von Koekelare begraben, auf dem deutsche Soldatenfriedhof Vladslo. Dort erinnert eine Skulptur von Käthe Kollwitz, die Figurengruppe »Trauerndes Elternpaar«, an den Verlust des Sohnes – ein einschneidendes Ereignis, das die Künstlerin zu einer Vorkämpferin für pazifistische Ideen machte.
Die Ausstellung »Das Ende der Mythen. Feldstudie Verdun« wurde erstmals 2018 in der Lyonel-Feininger-Galerie in Quedlinburg gezeigt – damals anlässlich des 100. Jahrestages des Ersten Weltkriegs. Vielleicht das bekannteste Sinnbild für die Schrecken dieses Krieges ist die Schlacht, die »Hölle von Verdun«, in der mehr als 400.000 Soldaten starben. Die Auseinandersetzung wurde zum deutsch-französischen Symbol für die tragische Ergebnislosigkeit des Stellungskriegs.
Als Mahnmal gegen jede Form kriegerischer Handlungen darf man die Arbeiten jener fünf Künstler*innen verstehen, die nun im Rahmen des Themenjahres »Landschaften« in Flandern gezeigt werden. Chris Wohlfeld führte die Recherche nach seinen familiären Ursprüngen vor mehr als drei Jahrzehnten auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges. Der Fotograf, der für die Mitteldeutsche Zeitung in Quedlinburg tätig ist, weitete seine Nachforschungen zu einer fotografischen Spurensuche aus. Davon zeugt in der Ausstellung eine Fotografie, die in Bezonvaux entstand, einem der neun unwiederbringlich zerstörten Dörfer in der Nähe von Verdun.
Mit den Mitteln der Malerei umkreist Bernd Papke den Horror der Schlacht von Verdun. Der Quedlinburger Künstler hat die Namen der Gefallenen, die auf Gedenktafeln aufgelistet sind, in Form von »Frottagen« festgehalten und in großformatigen Zeichnungen als Hintergründe für Landschaften verwendet. Einen grafischen Zugang wählte auch Thomas Hadelich bei seiner künstlerischen Trauerarbeit in Verdun: In seinen Aquatinta-Blättern spürt er Flecken und Spuren in verwitterten Beton- oder Metalloberflächen nach und erkundet Fragmente einer noch immer zerrissenen Landschaft.
Dagegen greift Katrin Ruhnau auf Objekte vom Flohmarkt zurück, um die Brutalität des Normalen zu entlarven. In ihrer »Schießbude« hat die Quedlinburger Künstlerin und Textildesignerin alte Fotos und andere Fundstücke mit Bezug zum Ersten Weltkrieg arrangiert. Zunächst dominiert der nostalgische Look des Werkes; doch bei näherem Hinsehen wird klar, dass hier Vorgänge vergegenwärtigt werden, die erschreckend aktuell sind.
Eignen sich Waffen als Teil hübscher Porzellangruppen? Eigentlich nicht, doch erzielt die Keramikerin Friederike Nottrott gerade durch diese ungewöhnliche Kombination ungeteilte Aufmerksamkeit. Ihre aus Porzellan gefertigte »Kugelhandgranate Calme« versprüht kein Gift, sondern Lavendelduft – eine Anspielung auf die Lavendelfelder, für die Frankreich bekannt ist. Statt mit einem Zünder hat Nottrott das Duftfläschchen mit einer Handballpumpe versehen. Frieden schaffen mit künstlerischen Waffen, das mag man als Quintessenz ihrer originellen Porzellanobjekte bezeichnen.
»DAS ENDE DER MYTHEN. FELDSTUDIE VERDUN«, AUSSTELLUNG ZUM ZEHNJÄHRIGEN BESTEHEN DES KÄTHE KOLLWITZ MUSEUMS IN KOEKELARE, BELGIEN, BIS 22. SEPTEMBER 2024
https://www.toerismekoekelare.be/de/aanbod/detail/2/kathe-kollwitz-museum